Klufti rockt die Reha
»Carpe diem!« Dr. Langhammers Schlusswort nimmt Kommissar Kluftinger sich zu Herzen: ab jetzt also gesund essen. Bei den Kollegen kommt das nicht gut an – sie lieben’s deftig. Mutter Hedwig macht sich schon berechtigte Sorgen, wo ihr Sohn doch zusehends abmagert. Und wer ist schuld? Natürlich Erika, ihre Schwiegertochter.
Nach dem Winter ist Klufti gesundheitlich angeschlagen. Da sticht es plötzlich in der Brust, der Puls rast, er leidet unter Atemnot, Schwächeanfälle und Bluthochdruck setzen ihm zu. Erika rät: Den Tatsachen muss man ins Auge blicken. Nur ihr zuliebe sucht er widerwillig Dr. Langhammers Praxis auf. »Kriegen Sie ihn nicht mehr hoch?« War klar, dass er so empfangen werden würde – typisch Langhammer. Der denkt doch immer nur an das eine, spielt sich selber als hyperpotent auf und macht blöde Spielchen und anzügliche Andeutungen mit seinem Massagestab.
Am Ende der Untersuchung sagt der Doc dem Kommissar zwar nicht die ganze Wahrheit ins Gesicht, aber der hat sein Telefonat mit einem Fachkollegen mithören können: Messwerte angesehen? – Pumpe kaum zu retten – schlechter Allgemeinzustand des ganzen Systems ... »Carpe diem!«
Dabei gibt es im Kommissariat gerade gar keine Schlupflöcher, um sich etwas auszuruhen. Ein Serientäter mordet im Kemptener Land. Drei Opfer hat er schon auf dem Kerbholz: einen Taxifahrer, einen Versicherungsmakler und einen angesehenen Herzspezialisten. Warum ausgerechnet diese drei Männer aus völlig unterschiedlichem sozialen Umfeld? Was verbindet sie, dass der Mörder sie niedermetzeln zu müssen glaubt? Kommissar Kluftinger und sein bewährtes Team beißen sich die Zähne aus an diesem auch für uns Leser undurchschaubaren Kriminalfall, den das Autorenduo Klüpfel & Kobr clever konzipiert hat.
Die Rehaklinik in Oberstdorf wollte Klufti eigentlich nie wieder aufsuchen. Sehr präsent sind ihm noch die schlimmen Eindrücke, als sein Vater hier seine Bypass-Operation auskurierte. Aber der knifflige Mordfall, bei dessen Aufklärungsbemühungen die Kollegen im Dunklen und durch Blutlachen tappen, führt ihn zwangsläufig hierher. Einer der Toten hatte Chemie im Blut – ein Herzmedikament, das es noch nicht auf dem Markt gibt, aber in einer Testphase an dieser Klinik erprobt wird.
Wo er nun schon mal hier ist, nimmt Klufti den Vorschlag des Chefarztes an: Das Seminar »Hot-Yoga« verspricht Entspannung für »Körper und Geist«. Wer leitet es? Ausgerechnet Dr. Langhammer, der »Nebenerwerbsguru«. Am liebsten hätte Klufti gleich Reißaus genommen, aber dann hätten wir etwas verpasst: Vor allem für uns Leser muss er da einfach durch, denn die Autoren liefern hier eine kabarettreife Szene. Auch Sie werden sich begeistert auf Ihre Fußmatte werfen, um die zahlreichen Figuren nachzustellen – beispielsweise »die weiße Schlange spuckt Gift« oder »die zickende Ziege«.
Kluftingers neuer Fall »Herzblut« begeistert. Den Autoren ist es wieder gelungen, das Allgäu aufzumischen mit deftigem Humor, markigen Sprüchen, biestigen Kommentaren im Büro, die das Arbeitsklima beleben, farbenfreudiger Lokalatmosphäre und einem spannenden Plot, der uns bis zum Schluss am Ball hält. Als Zugabe werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Jahrmarktsbetriebes. Die Existenz der reisenden Schausteller hängt nicht nur von uns knickrigen Besuchern ab, die viel für wenig wollen, sondern auch vom Wohlwollen der Ordnungsämter, deren Vorschriften und Verordnungen zusätzliche Schwierigkeiten bereiten.
Neben der Anspielung auf den Krimiplot und auf Kluftis Gesundheitszustand erhält der Titel »Herzblut« noch eine dritte Bedeutungsebene. Denn auch Herzenswärme durchzieht den Roman, ohne dass Kitsch daraus wird. Bei Kluftingers zu Hause ist noch alles in Ordnung. Erika sorgt sich ständig um ihr »Butzele« und um Sohn Martin, der dennoch – oder deshalb? – keinen Bock auf gemeinsamen Familienurlaub hat (»dann ja noch lieber Campingurlaub im Gaza-Streifen«).
Zu dieser heilen Welt passt auch das Klischee, mit dem Klufti kokettiert: Den ganzen neumodischen Technik-Schmarrn lehnt er vehement ab. Sein Handy ist ein alter Knochen, der zum Telefonieren alle Mal reicht, und mehr braucht’s schließlich nicht. iPhone, Apps und Skypen samt »Klicknamen« sind ihm böhmische Dörfer und von Herzen zuwider. Da treiben’s die Autoren doch recht heftig auf Kluftis Kosten. Vielleicht macht er ja bis zur nächsten Folge einen Lehrgang, um den doch schon etwas abgedroschenen Dödeligkeiten ein Ende zu machen.