Rezension zu »Die Stille unter dem Eis« von Rachel Weaver

Die Stille unter dem Eis

von


Abenteuerroman · Pendo · · Gebunden · 288 S. · ISBN 9783866123977
Sprache: de · Herkunft: us

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Kasteiung im Leuchtturm

Rezension vom 24.01.2016 · 4 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Seit zwanzig Jahren ist die Stelle vakant. Leuchtturm­wärter auf einem zer­zaus­ten Eiland, den Job mag sich keiner der Ein­hei­mi­schen von Neely, hoch im Norden Alaskas, antun. »Lass die Finger davon ... Es ist ge­fähr­lich da draußen ... nicht nur das Wetter«, brum­meln sie. Aber Kyle kommt das An­ge­bot gerade recht. Sein Lohn als Lachs­fischer wird immer mickriger, je stärker die Fang­quoten gedeckelt werden, die Insel aber ver­spricht ein festes Gehalt, ange­neh­mere Arbeit als tagelang auf be­wegter See zu rackern und eine große Freiheit. Anna wird schon zustimmen.

Kyle McAllin hat Anna Richards ein Jahr zuvor in seinem alten Truck mitge­nom­men, als sie in einer men­schen­leeren Gegend am Straßen­rand auf eine Mit­fahr­ge­legen­heit nach Norden wartete. Sie wissen nicht viel vom ande­ren, aber das braucht es ja auch nicht, um sich inein­ander zu verlieben. Ein Jahr lang hausen sie jetzt schon gemeinsam im Dachge­schoss einer Konser­ven­fabrik.

Bevor der Zufall die beiden zusammenführte, pflegte Anna ein ausgefallenes Hobby: das Eis­klettern. In der Ein­sam­keit von Alaskas Glet­schern suchte die intro­ver­tierte, zähe junge Frau das ultimative Abenteuer, aber auch Abstand zu ihrer ziemlich wider­wärti­gen Familie. Nach­dem sie drei Jahre lang Er­fah­rungen ge­sam­melt hatte, übernahm sie die Leitung einer Jugend­gruppe. Die Reibe­reien unter den Ju­gend­lichen for­derten mehr Sensi­bili­tät und soziale Kom­pe­tenz, als sie auf­zu­bringen ge­lernt hatte. Als eines der Mäd­chen sich in sei­ner Notlage Anna anver­traute, war sie berührt davon, wie ähnlich sie einander im In­nersten waren. Dennoch beging sie einen ver­häng­nis­vollen Fehler.

Dessen Folgen hat Anna nie verwunden. Eine Zeitlang war sie auf der Flucht, trampte durch Kanada, zel­tete unter freiem Himmel, ver­mied jede Be­ziehung. Doch das Trauma ver­folgte sie bis in ihre Träume. Endlich be­schloss sie, ihre drückenden Schuld­ge­fühle aktiv zu bewäl­tigen. Sie wollte an den Ort des Un­heils zurück­kehren, sich den schrecklichen Ereig­nissen der Vergangen­heit stellen. Ehe sie dort ankam, nahm Kyle sie mit nach Neely.

Auf Hibler Rock, dem von Sturm und Wel­len umtosten In­sel­chen, kommt es knüppel­hart für die neuen Haus­hüter. Ab und an bringt ein Ver­sor­gungs­schiff Lebens­mittel, doch da­rauf kann man sich nicht verlas­sen, wenn in den peit­schen­den Natur­gewalten nicht einmal das eigene Boot zu Wasser gelassen werden kann. Für die langen Winter­monate, eisig und dun­kel, müssen die beiden selbst­ständig Vor­sorge treffen, Fische fangen und räuchern, Klafter um Klafter Holz hacken, ergrei­fen, was die Natur bietet. Ihr Zuhause, der acht­eckige Leucht­turm, muss nach den vielen Jahren des Leer­stands erst wieder be­wohn­bar ge­macht werden. Anna packt ebenso ent­schie­den zu wie Kyle, um das siffige Gerüm­pel auf­zu­räu­men, die Wände von Schimmel zu be­freien, das wi­der­liche Plumpsklo her­zu­rich­ten. Im Sperrmüll finden sie eine Bade­wanne mit Lö­wen­füßen, die ihnen kurze Momente ge­mein­samen Glücks besche­ren wird.

In verzogenen Schubladen stößt Anna auf die Spuren ihres rätsel­haften Vorgängers – Log­buch­ein­träge, Skizzen. Der Mann hatte es einige Monate hier aus­ge­hal­ten und verschwand dann plötzlich auf Nimmer­wie­der­sehen. Hatte er in der Ein­sam­keit dieses Ortes vielleicht eine Art Er­lö­sung gesucht, so wie Anna es für sich selbst ver­mutet? Je mehr sie grübelt, desto düsterer wird ihre Stim­mung. Als ihre Alb­träume wie­der­kehren, flüchtet sie sich in Schuf­terei bis zur körper­lichen Erschöp­fung.

Das widerbors­tige Stückchen Fels im Ozean, der tägliche Kampf ums nackte Über­leben und die neuer­li­chen Ge­wis­sens­qualen unter­ziehen die vage Liebes­be­zie­hung einer harten Be­wäh­rungs­probe. Während Anna oft im Turm sitzt und die schick­sal­haften Glet­scher­berge in der Ferne auf Zeichen­papier zu bannen ver­sucht, zieht sich Kyle in die Scheune zurück, um wie seine Vor­fah­ren von den Alëuten-Inseln ein Kajak zu bauen. Die ent­ge­gen­ge­setz­ten Flieh­kräfte wirken un­auf­halt­sam ...

Rachel Weavers Debüt »Point of Direction« Rachel Weaver: »Point of Direction« bei Amazon (übersetzt von Yola Schmitz) ist eine un­ge­wöhn­lich aben­teuer­liche Love-Story und ein span­nen­der Unter­hal­tungs­roman in einem einzig­artigen Setting. In der Na­tur­land­schaft fernab moderner Zivili­sation und Technik bleibt dem Menschen keine andere Wahl als sich ihr unter­zu­ordnen. Anna fühlt sich einer­seits hin­ge­zogen zur glit­zern­den Schön­heit der eisigen Berge und der wilden, mäch­ti­gen Gewässer, anderer­seits zeh­ren die extremen Kräfte der unge­zähm­ten, un­zähm­baren Ele­mente den mensch­lichen Körper bis an die Grenzen sei­ner Be­last­bar­keit aus. Das ent­beh­rungs­reiche Leben in dieser isolierten Welt hat die Men­schen, die hier seit Gene­ra­tio­nen leben, ge­prägt. Es sind mar­kante, ver­schlos­sene, au­tarke Charak­tere.

Erzählt werden die Ereignisse aus Annas Ich-Perspektive und auf wechselnden Zeit­ebenen. Wenn auf der Gegen­wart-Schiene das In­sel­dasein ge­schil­dert wird, lässt die Prä­sens­form Annas klaustro­pho­bi­sche Zu­stände und die Wunden in ihrer Psyche un­mittel­bar nach­emp­fin­den. Die Ereig­nisse der Ver­gan­gen­heit er­öff­nen sich nach und nach durch Rück­blen­den. Während der Leser lange vor Kyle erfährt, was mit Anna los ist, kann er nur erahnen, welches Ge­heim­nis Kyle mit sich herum­trägt. Voll­stän­dig erfassen kann er es erst am Ende des Romans.

Der Leuchtturm auf der (fiktiven) Insel Hibler Rock mit all ihren Gefah­ren und Geheim­nis­sen ist ein atmos­phä­risch perfekter Schau­platz für den Plot und gleich­zeitig eine schöne Meta­pher. Anna be­kommt von hier einen klaren Blick auf die fernen Glet­scher­berge. Aber ihre Schuld­gefühle verfolgen sie bis in diese Einöde. Das tägliche Ringen mit der Natur, mit Kyle und mit sich sel­ber empfindet Anna als eine Art Kas­tei­ung. Die hellen Im­pulse des Leucht­turms über die niemals ruhenden Wel­len weisen den Schiffen und vielleicht auch Anna den richti­gen Weg. In der Isola­tion hofft sie darauf, sich endlich verge­ben zu können. Wenn sie sich erst selbst wie­der an­zu­neh­men gelernt hat, kann sie vielleicht einen neuen Weg zu Kyle finden.


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