Spurensuche
Seit sie 2005 ihren ersten Fall (»Fremde Hände«) lösten, hat das Pärchen aus Zürich schon sechs weitere in trauter Zweisamkeit zu einem guten Ende gebracht. Regina Flint ist Staatsanwältin, Bruno Cavalli Kriminalpolizist, und beide sind die Protagonisten der erfolgreichen Krimiserie, die die Schweizer Schriftstellerin Petra Ivanov verfasst. Für den vierten Band (»Stille Lügen«, 2008) erhielt sie 2010 den Zürcher Krimipreis.
Wer regelmäßig verfolgt hat, wie sich die beiden entwickelt haben und ihr Verhältnis zueinander gestalten (weit über das hinaus, was dienstliche Belange erfordern), mag sich fragen, wie ihre recht unterschiedlichen Persönlichkeiten eigentlich zusammenfanden. Jetzt erhalten die Fans eine gedruckte Antwort in Gestalt des zweiteiligen Prequels »Erster Funke«. Den ersten Teil, »Hangar B«, gab es bereits als Ebook aus dem Appenzeller Verlag (2015), doch dürfte er vielen Flint-und-Cavalli-Lesern entgangen sein. Der zweite Teil trägt den Titel »USB 2.0«.
Der »erste Funke« zwischen den beiden ungleichen Kämpfern für die Gerechtigkeit springt nicht etwa in ihren Zürcher Amtsstuben, sondern in einer Gefängniszelle in Brooklyn, New York, über. Dort wird Bruno Cavalli (natürlich unberechtigterweise) festgehalten, nachdem er im Zuge einer Amtshilfeaktion mit den amerikanischen Ordnungshütern in Konflikt geraten ist.
Das hat mit dem Floyd Bennett Field zu tun, dem ersten und längst stillgelegten Flughafen der Stadt New York. Wo Metall rostet, Unkraut sprießt und sich der Müll häuft, haben Ratten ihren unbestrittenen Herrschaftsbereich etabliert. Menschliches Interesse hat nur der gut 8000 Quadratmeter große Hangar B gefunden. Investoren und Technikfreaks haben ihn in den letzten Jahren renoviert und darin ein technisches Museum eingerichtet, wo man eine beträchtliche Sammlung sehenswerter Schätzchen aus der Pionierzeit der amerikanischen Fliegerei bewundern kann. Andere Teile des weitläufigen Geländes mit seiner surrealen Atmosphäre werden zu allen vier Jahreszeiten von herumreisenden Abenteurern frequentiert.
Genau hier steht mit größter Wahrscheinlichkeit auch der neue Camper, den Mark Heller und seine Freundin erworben haben, um es sich darin gutgehen zu lassen. In einer früheren Lebensphase arbeitete Heller als Bankangestellter in Zürich, doch das bescheidene Salär und das Ausbleiben erwarteter Beförderungen frustrierten ihn zusehends. Wie verlockend war da die Perspektive, auf das Bankgeheimnis zu pfeifen und Kapital aus den brisanten Daten zu schlagen, mit denen er täglich umging. Denn fette Geldströme fließen an den amerikanischen Steuerbehörden vorbei ins propere Land der Eidgenossen, wo sie still, stumm und unergründlich zur Ruhe kommen sollen.
Bruno Cavalli kennt die Vorgänge und den auf die unlautere Bahn geschlidderten Banker seit Längerem. Deswegen hat ihn das FBI als vielleicht hilfreiche Informationsquelle aus der Schweizer Steuerfluchtoase über den Teich gelockt – unnötig zu erwähnen, dass das FBI allein das Sagen hat und der Mann aus dem europäischen Kleinstaat (hunderttausend Einwohner weniger als New York City ...) nur ab und zu ein beratendes Wort einwerfen darf.
Zum Desaster wird Cavallis Dienstreise, als ihm in Hangar B der gesuchte Mark Heller förmlich vor die Füße fällt, und zwar tot und noch warm. Für die amerikanischen Ermittler erscheint Cavalli als hinreichend verstrickt und tatverdächtig, um ihn einzulochen.
Auch Staatsanwältin Regina Flint hat gerade eine Dienstreise zum Big Apple angetreten. Der Nachtflug sitzt ihr noch in den Knochen, das Abendessen mit dem Schweizer Konsul im Magen, da erfährt sie vom brisanten Datenklau eines illoyalen Landsmanns und seinen kriminellen Umtrieben, diese zu Höchstpreisen zu vertickern, bis – breaking news! – ihn ein anderer Landsmann kaltgestellt habe. Ihrer Übermüdung zum Trotz begleitet Regina Flint den Konsul zur Polizeiwache in Brooklyn, wo Cavalli einsitzt.
Genauer gesagt: wo Cavalli zornig in seiner Zelle hin und her stapft und seine sofortige Entlassung fordert. Die nur 1,63m große, aber heißblütige und kraftstrotzende Erscheinung verblüfft und verwirrt die seriöse Staatsanwältin im eleganten Hosenanzug, und Boooom! zündet der »erste Funke«. Sieht der Naturbursche mit dem glänzend schwarzen Haar und seinen gefährlich blitzenden dunklen Augen nicht aus wie ein »Nachkomme Winnetous«? Zufällig berührt er ihren Arm, da kann sie »die Hitze spüren, die von ihm ausging«, und vorbei ist es mit den strikten Prinzipien, die bisher Reginas Leben reglementiert haben.
Unter solch lieblichen Umständen lässt sich Regina auf Brunos Fall ein, und zusammen geraten sie alsbald in das lebensgefährliche Fahrwasser der Mafia. Der erste Funke hat derweil ein Flämmchen entzündet, das mal stärker aufflackert, mal etwas in sich zusammensinkt, je nachdem, wie die zarte Liebelei Nahrung findet, welche Signale die beiden Betroffenen aussenden, wie sie ihre Beobachtungen auf die eine oder andere Weise interpretieren. Das Geplänkel begleitet den Krimi-Plot und erinnert manchmal an das Gänseblümchen-Orakel der Schulkinder: Sie/Er liebt mich – liebt mich nicht – liebt mich – liebt mich nicht ...
Petra Ivanov pflegt einen eher distanzierten Sprachstil, der die aktionsreiche Handlung durch viele Dialoge auflockert. So liest sich der handwerklich solide gemachte Krimi angenehm und unterhaltsam, aber unter die Haut geht er nicht. Dazu fehlt das gewisse Salz in der Suppe.