Rezension zu »American War« von Omar El Akkad

American War

von


Belletristik · Fischer · · Gebunden · 448 S. · ISBN 9783103973198
Sprache: de · Herkunft: us

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Gott hat sein Land verlassen

Rezension vom 30.09.2017 · noch unbewertet mit 1 Kommentaren

Der in Ägypten geborene amerikanische Journalist Omar El Akkad lässt uns in seinem Debüt­roman »Ameri­can War« in eine düstere Zukunft schauen. Wenn sein Erzähler die Geschichte nieder­schreibt, in etwa hundert Jahren, wird es die Weltmacht USA nicht mehr geben. Die ursprüng­liche Staaten­gemein­schaft hat sich dann über Umwelt- und andere Fragen derart zerstritten, dass 2074 der Zweite Ameri­kani­sche Bürger­krieg entbrannte. Das Land zerfiel in drei Teile. Die südöst­liche Region, wo »die Roten« herrsch­ten, spaltete sich als »Freie Süd­staaten« ab. Der süd­west­liche Streifen von Südtexas bis Kalifor­nien wurde zu einem Protek­torat Mexikos (Nimm das, Donald!). Die »Verei­nigten Staaten von Amerika«, das war nur noch der große Rest im Norden, regiert von »den Blauen«. Deren Forderung, auf die letzten Ressourcen fossiler Brenn­stoffe zu verzich­ten und statt­dessen alternative Energie­quellen auszu­bauen, empfanden »die Roten« als demüti­gende Gänge­lung. Mehr als zwei Jahr­zehnte lang verwüs­teten die gewalt­samen Aus­einander­setzun­gen das Land. Noch am Tag der Wieder­vereini­gung (2095) setzte ein Süd­staaten-Rebell in der nörd­lichen Haupt­stadt Columbus, Ohio, einen Erreger aus, der für ein weiteres Jahr­zehnt Tod und Verderben über das geschun­dene Land brachte.

Schon lange vor Kriegsausbruch hatte der Klima­wandel seinen Tribut gefordert. Flache Küsten­gegen­den, New Orleans und Florida zum Beispiel, wurden nach und nach vom anstei­genden Wasser der Welt­meere verschluckt. Über­mäßige Hitze und Trocken­heit machten ganze Regionen unbe­wohn­bar. Wo schon die Natur die Menschen in Not stürzte, raubte ihnen der Bürger­krieg die letzten Besitz­tümer. Die einstmals wohl­haben­den USA verkamen zu einem verelen­deten, entvöl­kerten Land.

Andere Staaten haben die Leerräume eingenommen, die der Nieder­gang Amerikas freige­macht hat. China ist die neue globale Führungs­macht. Im Nahen Osten hat die Fünfte Frühlings­revolu­tion die Despoten ver­trieben. Nord­afrikani­sche Länder haben sich zum »Bouazizi-Reich« zusammen­geschlos­sen und gedeihen endlich in einiger­maßen demokra­tischen Struk­turen. All diese Länder genießen ihren Auf­schwung, ihren Wohl­stand und ihre neue Funktion als direkte Ver­sorger der hilfs­bedürf­tigen Ameri­kaner.

Zu Beginn des Krieges ist die Lage in den »Freien Süd­staaten« besonders schlimm. Sie wider­setzen sich vehe­ment allen Vorgaben der Regierung des Nordens, schaffen es aber nicht, eine eigene Ordnung aufrecht­zuerhal­ten. Rote Rebellen ziehen durchs Land, horten Waffen und bedrohen die einfachen Bürger, die doch nichts anderes wollen, als in ihrer Armut wenigs­tens unbe­helligt zu leben. Wer kann und politisch bedrängt wird, versucht, sich nach Norden abzu­setzen, wo man auf ein friedli­cheres Leben hoffen kann und wo die Nah­rungs- und Gesund­heits­versor­gung besser ist.

Vordergründig dient El Akkads dystopischer Entwurf nicht als politische Warnung an uns Heutige, sondern gibt lediglich das Setting für eine spannende familiäre Aben­teuer­geschichte. Deren Heldin ist Sara T. (»Sarat«), Töchter­chen der Flücht­lings­familie Chestnut, die sich auf den Weg nach Norden macht und Schreck­liches durchlebt.

Doch andererseits erinnert uns manches Detail unmiss­verständ­lich an gewisse Miss­stände der Gegen­wart. In der Tat verfolgt der Autor eine allge­meinere Absicht. Entsetzt über die ameri­kani­sche Politik, die im Kampf gegen den Terroris­mus mit selbst­herrli­chem Sendungs­bewusst­sein weite Land­striche ferner Länder verwüs­tet, deren politi­sche Struk­turen zerstört und zivile Opfer unge­rührt in Kauf genom­men hat, will er den Spieß umdrehen und seinen Lands­leuten vor Augen führen, wie es wäre, wenn »God's own country« zum Schau­platz eines ent­hemm­ten, aus der Ferne gesteuer­ten Krieges würde.

Erzählt wird Sarats Geschichte von einem alten Mann, der sich im Prolog vorstellt. Er gehört zu der »Gene­ration der Wunder«, zu den wenigen Menschen, die durch glück­liche Umstände dem Wüten des Bürger­kriegs, den Terror­anschlä­gen, der töd­lichen Seuche entkam. Als Sechs­jähriger wurde er aus seinem Eltern­haus in Georgia entführt und nach Alaska verschleppt. Sein gesamtes Erwachsenen­leben verbrachte er damit, die Chronik der furcht­baren Ereig­nisse, die einen blühenden Kontinent in Leid und Ver­derben gestürzt haben, zu studieren. Wie und warum er selber in diese Zu­sammen­hänge verstrickt ist, versteht er erst viele Jahre später.

Dem Leser geht es nicht anders als dem Erzähler. Obwohl der Prolog die Gescheh­nisse der vielen Jahr­zehnte voraus­verwei­send umreißt, erschließt sich seine volle Bedeu­tung erst am Ende der Lektüre.

Trotz der schlimmen Bedingungen ist die sechs­jährige Sarat im Jahr 2075 ein glück­liches Kind. Mit Zwillings­schwester Dana, dem älteren Bruder Simon und den Eltern haust sie in einem herunter­gekomme­nen Well­blech­container im Missis­sippi­delta. In einem Verschlag halten sie ein paar Hühner, mit einer aufge­spann­ten Plane fangen sie Regen­wasser auf. Winter­stürme und Sommer­hitze setzen ihnen zu, die Kämpfe haben ihre Lebens­grund­lagen zerstört. Das Leben am Fluss ist für das aufge­weck­te Kind ein Aben­teuer, doch die Eltern möchten der Not und den drohenden Kriegs­gefahren entkom­men.

Als der Vater durch ein Selbst­mord­attentat roter Rebellen ums Leben kommt, ergreift die Mutter die letzte Chance, mit ihren drei Kindern dem Grauen zu ent­fliehen. Ein Bus bringt sie auf gefähr­licher, streng kontrol­lierter Route in ein Flücht­lings­lager am Tennessee River, der Grenze zu drei Staaten. Im durch­reglemen­tierten, kargen »Camp Patience« verbringt die kleine Familie müh­selige Jahre.

Hier lernt Sarat einen wesentlich älteren Mann kennen, der sie einer­seits geistig fördert, ihr anderer­seits Lügen­geschich­ten über Gräuel der »Blauen« ein­flüstert und sie so zur lebenden Waffe der roten Rebellen formt. Seine Saat geht auf, als ein hinter­hälti­ges Massaker der »Blauen« nahezu das gesamte Lager aus­rottet: Das Mädchen wird zur Mörderin und mutiert nach Jahren in einem Straf­lager (das an Guanta­namo erinnert) zum hässlichen, Tod bringen­den Racheengel.

Umso berührender ist der letzte Teil des Romans, in dem ein Funken liebender Empathie bei Sarat aufblitzt. Nach Jahren der Einzel­haft und Folter wird sie in die Freiheit entlassen. Ein mensch­liches Wrack, das sich selbst verachtet, weil sie unter Druck viele Personen – auch ganz unbetei­ligte – verraten hat. Sie möchte mit niemandem Kontakt haben.

Als Dreißigjährige kehrt Sarat zu ihrem Bruder zurück, der das Massaker im »Camp Patience« schwer verletzt über­lebt hatte. Er ist verhei­ratet und hat einen Sohn, der die seltsame kahl­köpfige Tante auf Schritt und Tritt beobach­tet. Sie haust in einer verbarri­kadierten Scheune, schläft auf der nackten Erde, ihr Körper ist von Narben über­zogen, und sie spricht mit keinem. Verstehen kann er Sarat nicht, aber er hat sie gern, wie auch sie den kleinen neu­gierigen Jungen zu schätzen lernt.

Omar El Akkads Zukunftsroman kehrt die politischen Verhält­nisse unserer Welt um, ohne dass die Menschen dann besser geworden wären, und siedelt in seinem Schreckens­szena­rio eine außer­ordent­lich spannende Handlung um ein entsetz­liches Einzel­schick­sal an. Trotz der unge­schön­ten Grausamkeit mancher Szenen ist »American War« gute Unter­haltungs­literatur, deren Verweise auf unsere Gegen­wart nach­denk­lich machen.

Dieses Buch habe ich in die Liste meiner 20 Lieblingsbücher im Herbst 2017 aufge­nom­men.


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Kommentare

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Zu »American War« von Omar El Akkad wurden 1 Kommentare verfasst:

Reinhold Frick schrieb am 14.09.2020:

Ich habe schon viele Bücher gelesen. Die Meisten waren durchschnittlich, wenige sehr gut. Da ich versuche sorgfältig auszuwählen, habe ich auch sehr wenige Schlechte konsumiert. Das ist mir in diesem Fall allerdings gründlich misslungen. Erstaunlich, wenn man die zum Teil lobhudelnden Kommentare zu diesem Machwerk liest. Haben diese Leute diesen Text wirklich gelesen? Wie kommen Sie zu diesen Einschätzungen? Der Roman ist reine Fantasy, weit entfernt von jeder möglichen Realität. Grundlage sind die möglichen Folgen der Klimaveränderung. Das wird aber nur grob und sehr verschmiert ausgeführt. Der im Wesentlichen nur angedeutete Hintergrund wird für ein übles Schmierentheater benutzt, das die Kulisse für sinnlose Gewalt, Rache, Folter und die Entwicklung primitiver Instinkte bildet. Wer Fantasy mag, soll JRR Tolkien lesen. Da hat er tausendmal mehr davon als von dieser Schreibe. Ich bedauere die Lebenszeit, die ich mit diesem Buch sinnlos verschwendet habe.

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