Rezension zu »Rütlischwur« von Michael Theurillat

Rütlischwur

von


Kriminalroman · Ullstein · · Gebunden · 381 S. · ISBN 9783550088407
Sprache: de · Herkunft: ch

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Krieg und Frieden – der Schweizer Franken mischt mit

Rezension vom 23.08.2012 · 3 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Wer kein Geld hat, hat Sorgen; wer viel Geld hat, hat ganz große Sorgen. Denn keiner soll es ihm nehmen, und aus dem vielen soll noch viel mehr werden. So fließen schon seit Jahrzehnten gigantische Geldströme ins beschauliche Land der Eidgenossen. Hier konnten sich die Superreichen in Sicherheit wiegen, schützte sie doch das gesetzlich verankerte Schweizer Bankgeheimnis. Dem heimischen Fiskus entzogen, wuchs das in Schweizer Fonds angelegte Vermögen still und stetig.

Aber die Zeiten scheinen vorbei. Schweizer Banker, die über ihr gutes Salär hinaus noch ein Zubrot verdienen wollen, boten auf CDs gebrannte Daten ihrer heimlichen Kunden bei deutschen Politikern feil. "Kriminell!" schreien die einen, "Moralisch richtig!" die anderen, und so zieht sich schon seit Monaten ein ernsthaftes Politikum zwischen der BRD und der Schweiz dahin. Werden die Helvetier ihre gewinnträchtige Sonderstellung im Herzen Europas aufgeben, sich ihre Pfründe nehmen lassen und dem gewünschten Steuerabkommen zustimmen? Geld regiert die Welt ...

Michael Theurillat weiß das. Jahrelang hat er im oberen Management der UBS-Bank gearbeitet. Mit 41 ist er ausgestiegen, kurz vor einem psychischen Breakdown, und wurde Autor (Sechseläuten). Jetzt hat er sein Insiderwissen verwertet. Aber anstatt eine Daten-CD zu brennen, hat er einen neuen Roman geschrieben: In "Rütlischwur" lässt er uns tief in die schmutzigen Geschäfte der "Banque Duprey" blicken.

In der Banque Duprey versacken gewaltige Summen, und keiner weiß wohin. Compliance Officer Peter Dubach, der über die Geldströme gewacht hat, ist verschwunden, und keiner weiß wohin. Um Kommissar Eschenbach genau auf diesen Posten zu schleusen und Jakob Banz, seinem ehemaligen Schulfreund und jetzigem Direktor der Bank, aufklärend zur Seite zu stehen, musste, just in time, ein Max Hösli zum neuen Chef der Kantonspolizei ernannt werden. Da Eschenbach insgeheim selber mit dieser Beförderung gerechnet hatte, ist er zwar frustriert, doch den Job bei Banz nimmt er dennoch an – die finanziellen Aussichten sprechen für sich.

Knapp eine Woche lang studiert Eschenbach die Personalakten der Banque Duprey. Dann wird er von einem Auto angefahren, trägt ein Schädel-Hirn-Trauma davon und erwacht nach Tagen der Ohnmacht im Kloster Einsiedeln in der Obhut des Benediktinermönches John. Dieser fromme Mann hat bis zum heutigen Tag eine väterliche, fürsorgliche Beziehung zu Judith, die einst als streunende Dreizehnjährige um Einlass ins Kloster gebeten hatte. Sie war aus Irland abgehauen, verlangte Essen und Kleidung. Später bat sie dann seriös um Aufnahme an der privaten Stiftschule, lernte engagiert, erwarb ihre Matura, studierte Wirtschaft. Seit einer Woche ist sie Mitarbeiterin in der Banque Duprey – und wird schon von der Polizei gesucht. Denn Josef Banz wurde mit einem Genickschuss getötet, und sie ist dieses Mordes verdächtig.

Judith hatte im Schicksalsauto gesessen und Eschenbach nach dem Zusammenstoß zu Bruder John gebracht. Der ist der Einzige, der von ihrer Unschuld überzeugt ist. Wie einst Sherlock Holmes und Dr. Watson ermitteln nun John und Eschenbach gemeinsam. Der Schlüssel zu allen Geheimnissen, so stellt sich heraus, könnte in Judiths Vergangenheit liegen. Nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall verstorben waren, wuchs sie bei Ernest Bill, einem Freund der Familie, auf einem irischen Landgut auf. Und was macht ihr Pflegevater beruflich? Sie werden's schon ahnen: Er sitzt in der Führungsetage der Banque Duprey. Außerdem war er führender Geheimdienstler und Oberst, und er gehörte zu dem erlauchten Kreis, der am 25. Juli 1940 dem "Rütlirapport" zuhörte, der Rede, mit der General Guisan an geschichtsträchtigem Ort zum Widerstand und zum Erhalt der Schweizer Unabhängigkeit aufrief.

So verknüpft der Autor den kriminalistischen Handlungsstrang mit historischen Fakten, Informationen zum Bankwesen im Allgemeinen, zum shareholder value und dem aus dem Orient stammenden Geldtransfermodell Hawala, das dank seiner Wahrung der Anonymität besonders geeignet ist, um an Waffen- und Drogengeschäften zu partizipieren. Die braven Eidgenössler sind nämlich die Finanziers internationaler Krisenherde.

Das alles verspricht spannenden Stoff für einen Krimi. Doch leider entzieht das inhaltliche Kuddelmuddel dem Roman jegliche Spannung. Es entstand ein etwas steifes Konstrukt aus allzu vielen Querverbindungen und Zufällen, das mich nicht wirklich fesseln konnte. Ein paar Leichen am Wegesrand sind hier nur Stolpersteine. Dennoch erhielt Theurillat 2012 den renommierten Friedrich-Glauser-Preis der Krimiautorenvereinigung Syndikat.

Eine längere Textpassage über Hawala war möglicherweise der Grund, warum sich die Veröffentlichung des Buches hinausgezögert hat. Der Autor musste sich mit Plagiatsvorwürfen auseinandersetzen, er habe bei Wikipedia abgeschrieben ... (Hierzu äußert sich Michael Theurillat beispielsweise in einem Interview mit dem Schweizer MigrosMagazin vom 12. Dezember 2011.)


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