Rezension zu »Geheimnis in Rot« von Mavis Doriel Hay

Geheimnis in Rot

von


Weihnachtliches · Teil der Serie »Weihnachtliches« · Klett-Cotta · · Gebunden · 298 S. · ISBN 9783608961898
Sprache: de · Herkunft: gb

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Tod nach der Bescherung

Rezension vom 29.10.2017 · 1 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Wenn am Weihnachtsbaume die Lichter brennen, muss das Familienfest schlechthin noch lange nicht unter einem guten Stern stehen. Die lieben Verwandten finden (oder raufen) sich zusammen, um für ein paar Stunden traute Harmonie zu wahren, zu schlemmen, Geschenke auszu­tauschen und möglichst ohne größere Blessuren wieder ihrer Wege zu gehen.

Bei den Melburys aber kommt etwas Schreckliches dazwischen. Sir Osmond Melbury, 66, hat seine ganze Familie auf den Landsitz Flaxmere bei Bristol geladen, um das Fest der Tradition gemäß mit Gottes­dienst, Festmahl und Bescherung am Lichter­baum zu zelebrieren. Auch Santa Klaus (Sir Osmond legt Wert auf das etymo­logisch korrekte »K« aus »Niko­laus«) wird anreisen und allen, die Dienst­boten einge­schlossen, ein Geschenk bringen. Leider wird der Patriarch die Feiertage nicht überleben.

Was dahinter steckt und was sich daraus ergibt, das erzählt die englische Autorin Mavis Doriel Hay (1894-1979) in ihrem Krimi »The Santa Klaus Murder« Mavis Doriel Hay: »The Santa Klaus Murder« bei Amazon. Der erschien 1936 und wurde in Groß­britan­nien schon vor vier Jahren neu aufgelegt. Barbara Hellers deutsche Über­setzung führt jetzt Klett-Cottas Reihe klassi­scher Weihnachts­krimis in hübscher Auf­machung (Leinen, Lesebänd­chen) fort, die 2016 mit »Geheimnis in Weiß« von Joseph Jeffer­son Farjeon [› Rezension] begann und sicher mit Geheim­nissen in weiteren Farben des Regen­bogens fortge­setzt wird.

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Gleich zu Anfang des Romans lässt die Autorin den Senior kurz und schmerzlos dahin­sinken. Kein schmü­ckendes Beiwerk, keine blutigen Details verstellen die Tatsache, dass ein Pistolen­schuss in Sir Osmonds Stirn ihn am Abend des Ersten Weih­nachts­tages nieder­streckt. Motive für die Tat kommen alsbald genug ans Licht, der Kreis der Verdäch­tigen ist klein, doch wer von ihnen hat den Schuss abge­feuert?

Seit dem frühen Tod seiner Ehefrau stand Sir Osmond seine Schwester Mildred mit Rat und Tat zur Seite. Sie kümmerte sich um seinen Sohn und die drei Töchter. Beider wichtigstes Anliegen war, die Kinder standes­gemäß zu verheiraten. Doch die Zeiten geräusch­los arrangier­ter Ehen waren vorüber. Schon Hilda, die Älteste, mochte sich nicht fügen, und Jennifer, die Jüngste, verwei­gerte sich Oliver Wiscombe, dem Favo­riten ihres Vaters, um geduldig zu warten, bis sie den brot­losen Schrift­steller Philip heiraten kann.

Nachdem Sir Osmond einen Schlaganfall erlitt, verschlech­terte sich sein Zustand unüber­sehbar, und im Hause Melbury kam es zu bemer­kens­werten Umbrüchen. Chauffeur Ashmore, seit vielen Jahren ebenso zuver­lässig wie die alte Daimler-Limou­sine, wurde samt dem Automobil gegen einen jungen Fahrer mit schnittigem Sunbeam ausge­tauscht. Selbst Tante Mildred wurde verbannt. Eine hübsche junge Sekre­tärin füllte die Vakanz und avancierte zügig zur rechten Hand des Hausherrn.

Als die jüngere Generation mit Kind und Kegel auf Flaxmere eintrudelt, schwebt noch Mildreds Lebens­weis­heit aus alten Zeiten über dem Haus (»Familien, die einmal aus­einander­gebro­chen sind, sollten auch getrennt bleiben ... alle wieder in der glück­lichen Familien­atmos­phäre vereinen zu wollen, die man als Kind genossen hat, ist meiner Ansicht nach ein Fehler.«), aber hören kann sie keiner mehr. Sonder­lich gut verstehen sich die Paare unter­einan­der nicht, doch was sie im Inneren eint, ist das Ansinnen, dem Familien­ober­haupt »den Tod zu wünschen«, und alle treibt um, was aus dem ansehn­lichen Erbe wird. Wie hat Sir Osmond seinen Reichtum unter seinen Lieben verteilt? Oder hat er in einem plötz­lichen Sinnes­wandel alles der rassigen Rot­haarigen im Büro vermacht?

Oliver Wiscombe, der bei der Zeremonie den Santa Klaus gab, entdeckt nach seinem Auftritt den Leichnam im Arbeits­zimmer. Rasch ist Colonel Halstock zur Stelle, um die Ermitt­lungen zu über­nehmen. Der Nachbar und Freund des Dahin­geschie­denen rechnet mit einer zügigen Auf­klärung, doch jede Befra­gung kompli­ziert den Fall. Keiner hat etwas beobach­tet, jeder findet ein paar Kleinig­keiten einer Erwäh­nung nicht wert, und alle sind sich einig, dass man Familien-Interna nicht nach außen tragen sollte.

Aber Colonel Halstock ist hartnäckig. Unbeirrbar verfolgt er seine Strategie, bis er sich durch das Laby­rinth der Aussagen hindurch­gerät­selt hat und am Ende erkennt, wer seinen Freund auf dem Gewissen hat. Für uns Leser mögen sich ein paar Längen und Wieder­holun­gen ergeben, wenn jede Situation aus Sicht mehrerer Personen geschildert wird. Anderer­seits liegt gerade hierin der intellek­tuelle Reiz von Krimis nach dem klassi­schen Whodunit-Prinzip. Es sind die spitz­findigen Unter­schiede in den Aussagen, die uns das Mitraten ermög­lichen und das Erfolgs­erlebnis verschaffen, mit dem Ermittler gleichzu­ziehen.

Reizvoll an diesem weihnachtlichen Krimi ist außerdem der Charme der vergangenen Epoche. Der Landsitz, das feine Interieur, gepflegte Manieren, süffi­sante upper­class-Konversa­tionen, diskret seine Dienste verrich­tendes Personal und ein bisschen Aufleh­nung gegen starre Konven­tionen – all das kann man genießen und/oder sich darüber amüsieren. Dem Charakter des Festes der Liebe entspre­chend müssen Blut­rünstig­keit, Action und Psycho­terror draußen bleiben – dass gemordet wird, ist schon frivol genug für eine Lektüre unterm Tannen­baum.


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