Es fehlt der Biss
Dies ist der zweite Band einer vielteiligen Reihe von Kriminalromanen, die alle mitten in Neapel spielen, wo der Autor, Maurizio de Giovanni, 1958 geboren wurde. Im Italienischen heißt die Polizeieinheit etwas drastischer »I Bastardi di Pizzofalcone«. Was es mit ihr und dem deftigen Namen auf sich hat, erfahren Sie mit vielen Hintergrundinformationen in meiner Übersicht der Kriminalromane und Fernsehfilme von Maurizio de Giovanni.
Als die Handlung dieses Bandes einsetzt, ist die Truppe der »Ausgestoßenen« bereits zusammengestellt, doch ehe sie einander näher beschnuppern können, haben sie ihren ersten Fall auf dem Tisch liegen, eine Beziehungstat in besseren Kreisen, die nicht schwer aufzuklären scheint. Die schöne Gattin eines Notars wurde ermordet. Er hat seine Karriere allein ihrem Vermögen und ihren gesellschaftlichen Beziehungen zu verdanken und ist ihrer jetzt offenbar endgültig überdrüssig geworden, nachdem er sich schon seit Jahren mit diversen Damen amüsiert hat. Doch der Verdächtige hat ein sicheres Alibi: Zur Tatzeit weilte der undankbare Leichtfuß mit seiner neuen Flamme in Sorrent.
Der Chef Luigi Palma weist den Fall Lojacono zu und stellt ihm Polizeioberwachtmeister Marco Aragona zur Seite. Der extrovertierte junge Mann braucht sich dank seines familiären Netzes an Beziehungen und Besitztümern nicht sonderlich anzustrengen und widmet sich gern seinem Styling und dem lebensgefährlichen Hang, Neapel als Formel-1-Rennstrecke zu nutzen. Während sie noch im Trüben fischen, ahnt der geschulte Krimileser schon längst, wer der Täter ist. Wo kein Gärtner, ist es immer der … – mehr darf hier auf keinen Fall angedeutet werden, denn die Spannungsressourcen dieses Kriminalromans sind ohnehin begrenzt.
Bei allem Respekt für Maurizio de Giovanni als fähiger und vielseitiger Schriftsteller überzeugt mich sein innovatives Konzept für die Reihe der »Bastardi« hier nicht so recht. Wir verfolgen die Arbeit eines ganzen Polizistenteams, dessen Mitglieder alle das gleiche Maß an Aufmerksamkeit erhalten, und mit mehreren, voneinander unabhängigen Fällen. Leider ziehen sich die Krimihandlung und die Beziehungsproblemchen der Mannschaft ziemlich lustlos dahin wie der fade Käse auf dem Tomatenpapp einer Tiefkühlpizza. Die weiteren Fälle, die am Pizzofalcone-Hügel zu klären sind, fügen hier ein Krümelchen Oregano, dort eine Spur Basilikum hinzu, reichen aber nicht aus, um das Ganze noch richtig geschmacksintensiv und knusprig auf den Tisch zu bringen. Da prügelt ein Macho, der schnell die Kontrolle verliert. Dort begibt sich eine jugendliche Schönheit freiwillig in Gefangenschaft, worüber sich ein alter Knabe ebenso freut wie ihre Familie, die mit Geld und Jobs reichlich belohnt wird. Ein Pater schenkt seinen Schäflein durch einen »Akt der Barmherzigkeit« das »Paradies« … Das sind nette Alltagsfälle, aber sie werden ohne Biss aufbereitet.
Nach »Das Krokodil«, dem gelungenen Erstling der Reihe [› Rezension], war meine Erwartungshaltung hoch, umso tiefer erfolgte der Fall. Aber die Dienststelle Pizzofalcone wird trotzdem vorerst nicht aufgelöst – im Gegenteil: Es wird etliche weitere Bände geben und sogar eine Verfilmung für Fernsehen. Geben wir also Maurizio de Giovanni und seiner Übersetzerin Susanne Van Volxem noch eine Chance. Schließlich hatten die bastardi im Kommissariat auch einen Versuch frei, sich zu bewähren.