Teurer Betrug
Es ist immer wieder verblüffend, wie überzeugend "Zugereiste" in der Lage sind, das Lokalkolorit einer Gegend authentisch zu vermitteln – man denke an die Amerikanerin Donna Leon und ihre Venedig-Krimis. Ein weiterer Könner dieses Fachs ist der Schotte Martin Walker, der uns in seinen (bisher drei) Krimis ins Périgord entführt.
Zu den teuersten Zutaten eines exklusiven Menüs für Gourmets gehören Trüffel, die "schwarzen Diamanten". Bei Martin Walker lerne ich, dass man sie besser mit ausgebildeten Hunden als mit Trüffelschweinen sucht und dass eine Anhäufung von Fliegen an alten Eichbäumen ein todsicheres Indiz für den kostbaren Schatz in der Erde ist. Schon das Cover – eine Waagschale gefüllt mit schwarzen Trüffeln, daneben eine noch geschlossene Rotweinflasche – stimmt mich auf ein Buch voller Köstlichkeiten ein.
Doch Spekulationsgeschäfte und Betrug dämpfen den ersten Heißhunger auf eine mit geriebenen Trüffeln verfeinerte Speise. Denn wie kann ich als Laie feststellen, ob mir nicht ein Verschnitt mit chinesischen Trüffeln serviert wird? Hercule, der Top-Trüffelfachmann, gibt Bruno, Chef de police, einen Tipp, am Markttag die Augen offen zu halten. Dort geht nicht alles mit rechten Dingen zu ...
Bald ist Weihnachten, und somit ist auch Saison für die Jagd. Bruno, Hercule und ein paar andere Männer, die dieser Leidenschaft frönen, planen einen Ausflug ins Revier. Treffpunkt ist ein Hochsitz im Wald. Kaum haben die Hunde den Jeep verlassen, gebärden sie sich ungewöhnlich unruhig und führen Bruno und seine Gruppe zu einem Baum. Dort hat man Hercule samt Jagdhund aufgeknüpft. Brutal an den Händen gefesselt, die Schultern ausgekugelt, die Kehle aufgeschnitten, die Zunge herausgezogen, starb er einen qualvollen Tod.
In der Folge bekommt Martin Walkers Roman eine politische Note, denn wir tauchen bei den Recherchen um Hercules Leben in ein dunkles Kapitel der französischen Vergangenheit ein: In Indochina und Algerien war Hercule für die Franzosen als hochrangiger Geheimagent, als sogenannter barbouze, tätig. Er erhielt das Croix de Guerre und war Mitglied der Légion d'Honneur.
Zunächst weiß Bruno nur wenig über Hercules abenteuerliche Vergangenheit. In seiner Wohnung stapeln sich Bücher, Akten, Dokumente, darunter auch Notizen über Internierungslager in Vietnam. Hercule kämpfte auf der Seite der Vietnamesen. So, wie man ihn nun umgebracht hat, wurden damals Verräter gehängt ... Wer mag ihn so getötet haben?
Nach Kriegsende flüchteten viele Vietnamesen nach Frankreich und bauten sich da im Laufe der Jahre neue Existenzen und Geschäfte auf – nicht alle waren legal. Gleichzeitig wanderten auch zahlreiche Chinesen ein und verfolgten die gleichen Ziele. Da waren Interessenkonflikte unvermeidlich, und die uralte Feindschaft zwischen den chinesischen Triaden und der vietnamesischen Mafia führte zu einem brutalen Machtkampf um Drogenhandel, Menschenschmuggel, Kinderprostitution und Schutzgelderpressung; mörderische Brandanschläge waren ein Aufsehen erregendes Mittel der Auseinandersetzung. Und Bruno, der einfache Ermittler vom Land, steckt tief drin, denn Hercule hatte Verbindungen in alle Richtungen.
Ein total packender, spannender Krimi, der mich auch motiviert hat, über die Rolle der Franzosen in Indochina und die Besatzungszeit in Algerien nachzulesen.
Neben der politischen Thematik hat mir die Charakterisierung des Protagonisten Bruno gut gefallen. Beeindruckend, wie er in gefährlichsten Operationen seinen Mann steht; als Polizist aber kümmert er sich ganz fürsorglich um seine Mitmenschen. Mit offenem Ohr nimmt er ihre Nöte wahr: Ein Sägewerk wird geschlossen, Männer verlieren ihren Arbeitsplatz, Familien müssen sich finanziell stark einschränken. Er rettet ein Kind, das in eine Jauchegrube gefallen ist, er nimmt sich Zeit für die Jugend und trainiert sie im Rugby-Spiel – und er ist natürlich ein ausgezeichneter Gourmetkoch. Pamela, eine attraktive Frau, möchte er nicht missen.
Ein rundum gelungener Roman, der uns nicht nur die Oberfläche der schönen touristischen Landschaft des Périgord und ihre kulinarischen Gaumenkitzel zeigt, sondern tiefer geht, weit mehr zu sagen hat.