»Schweinehunde sollen baumeln«
"Schweinehunde", der Debütroman von Lotte & Søren Hammer, beginnt hammermäßig: An ihrem ersten Schultag nach den Ferien entdecken zwei Kinder in der Schulturnhalle fünf Männer, die, geometrisch exakt ausgerichtet, von der Decke herabbaumeln, mit Seilen um ihren Hals. Die Gesichter der Leichen sind mit einer Motorsäge bis zur Unkenntlichkeit zerschnitten, und auch die Hände fehlen. Der Anblick ist so ekelerregend, dass jeder fluchtartig die Räumlichkeit verlässt, um seinen Magen zu erleichtern.
Das Team um Kriminalkommissar Konrad Sorensen muss alles daransetzen, zunächst die Identität der fünf Männer zu ermitteln. Bisher liegen keine Vermisstenmeldungen vor. Wer sind die Täter, und welche Motive trieben sie zu dieser grausamen Tat?
Schon bald rückt das Verbrechen in einen Zusammenhang mit Pädophilen. Aber es bleiben genug Fragen: Sind die Opfer ehemalige Täter, sind die Täter betroffene Opfer? Haben diese das Recht auf ihrer Seite, und dürfen sie, weil sie die gültige Rechtsprechung nicht akzeptabel finden, selbst für Ordnung sorgen, Selbstjustiz üben und auf mittelalterliche Weise (Podest, Fallklappe) Menschen hinrichten?
Neben dem kriminalistischen Plot, der über 500 Seiten hin, auf vielen Schauplätzen und mit vielen Figuren und ihren Lebensgeschichten breitspurig entwickelt wird, hat das Buch einen sozialkritischen Aspekt. Die Täter hielten diese Tat für notwendig, um weltweit Aufmerksamkeit zu erregen. Mit Hilfe der Medien und über das Internet wollten sie auf den – ihrer Meinung nach – zu laschen Umgang mit Pädophilen, die ihre Opfer misshandeln und anschließend töten, aufmerksam machen, ja sogar eine politische Neuorientierung zu schärferen Gesetzen herbeiführen. Und so, wie sie es aufziehen, finden sie bei einem überwiegenden Teil nicht nur der dänischen Bevölkerung Zustimmung. Vor diesem Hintergrund hat es die Polizei sehr schwer, ihren Job durchzuziehen und die brutalen Mörder schließlich dingfest zu machen.
Meiner Meinung nach hätte der ganze Roman durchaus etwas stromlinienförmiger gestaltet werden können, ohne dass die Handlungskomplexität noch die diskussionswürdigen Intentionen beeinträchtigt worden wären. Der Stoff ist ja durchaus hochaktuell und erhält täglich neue Nahrung: "Missbrauch: Alarmierende Schul-Studie" ist die heutige (14.7.2011) Hauptschlagzeile auf der Titelseite der Rheinischen Post. Und wie viele unzufriedene Leserbriefschreiber äußern öffentlich ihre Meinung, dass in unserem Lande mehr für die Resozialisierung der kranken Pädophilen getan werde als für die lebenslänglich traumatisierten Opfer?
"Schweinehunde" ist der Einstiegsroman in eine Serie um Kommissar Konrad Sorensen. Er ist ein ruhiger, introvertierter Mann, der seine Tochter über alles liebt. Seine Diabetes ist ihm kein Grund, sich gesundheitlich zu schonen – im Gegenteil: Er raucht und ist dank unausgewogener Ernährung gepaart mit Bewegungs- und Schlafmangel gut proportioniert. Seine Kollegen respektieren ihn als Führungspersönlichkeit und schätzen, dass er ihnen stets absoluten Rückhalt gibt.
Ist Kurt Sorensen nun eine neue, andersartige Figur im Kreis der arrivierten nordischen Ermittler wie Henning Mankells Kurt Wallander oder Hakan Nessers Van-Veeteren? Aller Anfang ist schwer. Die Autoren müssen Konrad Sorensen noch ein wenig Zeit lassen, um sich einen Stammplatz bei den Lesern zu verdienen. In Dänemark fand das Debüt des Autorenpaares große Aufmerksamkeit und stand auf Platz 1 der Bestsellerliste.
Von den folgenden Romanen (Ein zweiter ist in Dänemark schon veröffentlicht, ein dritter in Arbeit) erwarte ich mir noch Verbesserungen, denn ich denke, die Autoren können es noch besser als in "Schweinehunde".