Rezension zu »Die großen romanischen Kirchen in Köln« von Jürgen Kaiser, Florian Monheim

Die großen romanischen Kirchen in Köln

von


Kunstband · Teil der Serie »Weihnachtliches« · Greven · · 176 S. · ISBN 9783774306875
Sprache: de · Herkunft: de

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Kölns unterschätzte Pracht

Rezension vom 29.11.2013 · 9 x als hilfreich bewertet · noch unkommentiert

Dieses Buch ist ein Segen. Schon seit einigen Jahren rücken die romanischen Kirchen aus dem Schatten des über­mächtigen gotischen Anziehungs­punktes aller Köln-Touristen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Berichte in den Medien und private Initiativen wie der Förder­verein Romanische Kirchen Köln e.V. (der auch dieses Buch unter­stützt hat) stellen vor, welche Schätze hier erhalten sind, und wecken die Neugier von immer mehr Besuchern der Stadt, nicht nur zum Dom zu pilgern.

Der soeben im Greven-Verlag erschienene Band über die »großen romanischen Kirchen in Köln« macht richtig Appetit, die Bauwerke in der Realität zu studieren und auf sich wirken zu lassen. Er liefert um­fas­sen­des Wissen, um ihre Besonder­heiten zu erkennen, ihren Wert sachkundig zu würdigen und ihre Schön­heit zu genießen. Am liebsten würde man das Buch mitnehmen, um sich beim Rundgang vor Ort von ihm leiten zu lassen – wäre es dazu nicht zu schwer und zu sperrig. Denn es ist seines edlen Gegen­stan­des wahrhaft würdig angefertigt: großzügig ausgelegt, auf schwerem Glanzpapier gedruckt, mit festem Umschlag ver­sehen und in edles Leinen gebunden.

Sein Inhalt ist zweckmäßig strukturiert: Zunächst führt eine zwanzig­seitige Einleitung in die beein­drucken­de »Vielfalt der Romanik« ein, dann wird den zwölf Kirchen in alphabe­tischer Folge je ein Kapitel gewid­met. Jedes Porträt umfasst zehn bis vierzehn Seiten, ein Drittel Text, zwei Drittel Fotos. Ein prak­ti­sches kleines fact sheet im violetten Kästchen fasst vorab zusammen, was man unbedingt wissen sollte: Bauzeit, Be­son­der­hei­ten, Funktion, Grundriss.

Die großen romanischen Kirchen in Köln: Sankt Georg – © Florian Monheim

Die Texte von halten eine gelungene Balance zwischen fachkundiger, präziser Darstellung zu Architektur und Geschichte einerseits und ›einfach interessanten‹ In­for­ma­tio­nen für den neugierigen Laien andererseits. Der Autor erläutert etwa die unter­schied­lichen Lösungen, die die Baumeister z.B. für die über­gänge Apsis/Querhaus­arme, Seiten­schif­fe/Chor, Türme/Vierung/Schiffe usw. realisiert haben – viel­fach innovativ und einzig­artig in der europäi­schen Romanik. Akademische Erörte­rungen er­spart er uns, und sein Schreibstil erstarrt nicht vor Ehrfurcht. Statt­dessen gibt er Einblicke, wie die Men­schen (Bürger, Baumeister, Pilger, Stiftsdamen, Mönche, Kleriker, Könige ...) in und mit diesen Bauwerken gelebt haben, und er schließt Episoden und Legenden um die Gründer, Stifter, Märtyrer und Reliquien ein. Auch wer kein Kunst­ge­schicht­ler ist, wird diese Darstel­lungen mit Vergnügen lesen.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Gebäude immer wieder umgestaltet, mehr oder weniger zerstört und wieder aufgebaut. Kaiser stellt diese Wand­lun­gen in großen Zügen dar, so dass wir begreifen, dass das, was wir heute sehen, weder ›das Ori­gi­nal‹ aus dem Mittelalter noch ›die einzig richtige‹ Er­schei­nungs­form ist, sondern das Produkt einer langen Entwick­lung. Alles, was wir nach den Stadt­verände­rungen des 19. Jahr­hunderts und dem Zweiten Weltkrieg heute noch bzw. wieder vorfinden, muss als wunderbares Ge­schenk betrachtet werden. Zwar sind die ehemals farbige Außen­gestal­tung (vgl. Limburger Dom), die meis­ten Zusatz­bauten (Kreuz­gänge, Klos­ter­ge­bäu­de) und viele Aus­stattungs­ele­mente für immer verloren, doch jede der ro­ma­ni­schen Kirchen Kölns konnte noch diese oder jene Kostbar­keit bewahren: Boden­mosaike, Fenster­verglasun­gen, Fresken, Holz­türen, Reliquien­schreine, Altar­bilder, Statuen ...

Die großen romanischen Kirchen in Köln: Sankt Georg – © Florian Monheim

Die Vielfalt der Erscheinungsformen im Inneren – teils roher Stein, teils puristischer weißer Putz, teils üp­pi­ge farbige Deko­ra­tion; alte oder moderne Fenster – spiegelt die Meinungs­vielfalt während der diversen Restau­rierungs­phasen. Jürgen Kaiser hält mit seinem Unbehagen an manch »unschöner Lö­sung« nicht hinterm Berg: »plumpe Gestaltung ... mehr als un­an­ge­mes­sen«. Heftiges Bedauern aber empfindet er angesichts stadt­planeri­scher Sünden, der »selbst ge­mach­ten Kölner Katastro­phen«. Waren be­reits im 19. Jahr­hun­dert ganze Viertel einschließ­lich ihrer alten Kir­chen­bau­ten abgerissen worden, so opfer­te man beim Wieder­aufbau nach dem Krieg, dem Vorbild der amerika­nischen »auto­gerech­ten Stadt« nach­eifernd, die spärlichen Reste des mittel­alter­lichen Er­schei­nungs­bil­des. Breite Straßen­schneisen und eng heran­rücken­de Bebauung (massige Geschäfts­häuser, hohe Büroblocks) beraubten die architek­toni­schen Pretiosen des umge­benden Frei­raums, in dem sie einst ihre Aura entfalten konnten. Bis heute wurde manche »Chance ... aus un­verständ­lichen Gründen ver­ge­ben«; das neue Rauten­strauch-Joest-Muse­um etwa beein­trächtigt »die Außen­er­schei­nung der Cä­ci­lien­kir­che ... lässt den Sakralbau dahinter fast verschwinden.«

Trotz allem: Wie wir diese Bauwerke heute vorfinden – sorgfältiger restauriert denn je, gesäubert vom Ruß der Kamine und Millionen Kerzen, befreit vom Straßen­schmutz –, können sie früher kaum schöner und beein­drucken­der gewesen sein.

Die großen romanischen Kirchen in Köln: Sankt Kunibert – © Florian Monheim

Wer nicht nach Köln fahren will oder kann, erhält in die­sem Buch trotzdem über­wäl­ti­gen­de visuelle Erleb­nisse. Dafür sorgen die meister­lichen Fotos von . Sein Stil ist ›sachlich‹: Ohne jegliche Effekt­hascherei respektiert er Senk­rechte, Waag­rechte und Symmetrie, wie wir sie bei einer Besichti­gung suchen würden. Mystische Schumm­rigkeit gibt es nirgendwo, vielmehr sind auch die Totalen hell ausge­leuchtet.

Die großen romanischen Kirchen in Köln: Sankt Aposteln – © Florian Monheim

Die meist großformatigen Bilder (einige doppelseitig) vermitteln prächtige Eindrücke. Monheim wählt atem­beraubende Perspektiven, die die zum Teil unge­wöhnlich großen Dimensionen der Kölner Kirchen zur Gel­tung kommen lassen. Wir können Strukturen, überra­schende Kontraste, Übergänge oder das Spiel des Lichts auf den Wänden entdecken. Dann wieder lenken kühne Ausschnitte unsere Aufmerk­samkeit auf verblüffende Einzel­heiten: Hände, Segens­gesten, Gesichter, Schlusssteine, Kapitelle, Fresken, Statuen. Die plasti­schen Fotos erlauben Annähe­rungen, die beim Original gar nicht möglich bzw. erlaubt wären.

Leider sind die relativ ausführlichen Bildbegleittexte in winziger Schriftgröße gesetzt; sie verdienen mehr. Als weitere Anregung für spätere Über­arbeitun­gen würde ich ein kleines Glossar, evtl. mit Strich­zeich­nungen, vorschlagen, um Nicht-Experten das Googeln weniger geläufiger Fach­termini (Spolien, Blend­tri­forium, Antepen­dium, Achtpass­fenster) zu ersparen. Im übrigen möchte ich Ihnen die hübsche Internet­seite des Förder­vereins Romani­sche Kirchen Köln e.V. empfehlen [www.romanische-kirchen-koeln.de]; sie nennt Öff­nungs­zeiten und Adressen aller Kirchen und bietet u.a. auch eine knappe Einführung in die Romanik.

Fazit: Ein wahrhaft reiches und be­rei­chern­des Buch, das seinem Le­ser viele Stunden besinn­lichen Stau­nens und ästhe­ti­schen Schwelgens bereitet.


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