ISMAEL – Deckname im Zeugenschutzprogramm
Der Autor erzählt uns zwei parallele Handlungsstränge: Einen einzigen Arbeitstag des Dr. Peter Brown im Manhattan Catholic Hospital – und die Vergangenheit dieses Mannes, der eigentlich Pietro Brnwa heißt. Er wurde 1977 von einer zugedröhnten Mutter im indischen Ashram geboren. Seine Großeltern – Juden, die Auschwitz überlebt hatten – holten ihn dort heraus, damit er in gutbürgerlichen Verhältnissen aufwachsen könne. Doch dann werden sie von den gewalttätigen Brüdern Virzi ermordet. Diese Tat will der zu dem Zeitpunkt 14-jährige Enkel rächen.
Wie ein Bruder wird er in der Familie seines 15-jährigen Freundes Adam Locano aufgenommen. Schnell stellt sich heraus, dass Vater David, ein angesehener Anwalt, zur Mafia gehört. In auswegloser Situation wird Pietro zwangsläufig zum Killer.
Ein Zeugenschutzprogramm wird seine einzige Rettung; mit diesem ist der neue Arbeitsplatz im Krankenhaus verbunden, und dort fühlt er sich sicher. Das hat ein jähes Ende, als er auf der luxuriösen Privatstation, berieselt von leiser Pianomusik, Mr LoBrutto antrifft, der dort mit der Diagnose Krebs im Endstadium liegt. Der Patient erkennt sofort "die Bärentatze" aus alten verfeindeten Zeiten wieder. Egal woran er sterben wird, Pietro wird dafür büßen ...
Die Beschreibung des Arbeitsplatzes ist an Absurditäten kaum zu toppen: Ärzteteam, Pflegepersonal, Krankenakten, Medikationen, Hygiene (eine pissebefleckte Matratze ...) , Vorbereitung einer Operation. Peter, mit Waffe im OP-Kittel, hält den Tag nur mit Drogen durch. Er löst Akfal, den ägyptischen Assistenzarzt, ab. Die Übergabe vom einen Arzt zum anderen hört sich wie folgt an: "Blabla Zimmer 809, Frau von 37 Chemotherablabla." Bei all dem Blablabla versteht Peter natürlich nur Bahnhof. Normal ist nichts hier: Ein Arzt trägt seinen Kittel übersät mit Arzneimittelwerbung. Unser Protagonist schläft während der Oberarztvisite wiederholt ein. Er ist Professor der Universität. Der Titel wurde ihm verliehen, nachdem er während eines Monats je eine Stunde eine Krankenabteilung betreute. So chaotisch und völlig abstrus geht es weiter. Wer hier als Patient eingeliefert wird, für den gibt es ein Weiterleben nur noch in Skelettform ...
Kann man daraus nun auch schließen, dass uns der Autor mit seinen Einblicken ins Mafia-Milieu eher veräppelt? Ein Wadenbein als Waffe zu benutzen, das kann ja wohl nicht sein ...
Aber in diesem Roman ist alles Unmögliche möglich.
Der Klappentext kündigt an, das Buch sei "zynisch" und "komisch", doch in diesen Gesamtkontext kann ich eine Passage nicht recht einordnen. Diese Begebenheit ist düster, eindringlich und ernst. Während Pietros Mafiafamilie in den Skiurlaub fährt, plant er bewusst einen Besuch der Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau, denn er will die Gräueltaten an seinen Großeltern nachempfinden. "Die Traurigkeit dieser Stätte ist förmlich zu hören ..."
Ein sehr ungewöhnlicher, rabenschwarzer Krimi. Er ist gewöhnungsbedürftig, vielleicht nicht jedermanns Geschmack.