Eifersucht
von Jo Nesbø
Sieben Geschichten zu einem uralten Thema der Menschheit. Der weltberühmte Thrillerautor weiß den unzähligen literarischen Vorgängern außer belangloser Unterhaltung leider nichts von Bedeutung hinzuzufügen.
Nichts Neues wg. O.
Wie zu so vielen menschlichen Regungen hat William Shakespeare schon alles gesagt, was man über Eifersucht wissen muss. Und wie er das vermittelt! Seine Tragödie »Othello« schlägt seit 1603 Millionen Zuschauer für Stunden in ihren Bann, versetzt Jung und Alt, Arm und Reich, doctores und simplices gleichermaßen in Gefühlswallungen, in Staunen und in Spannung. Unzählige Literaten haben weitere Beiträge zu dem Gefühlsgemisch verfasst, das manche für einen Liebesnachweis halten, die meisten aber für rein teuflisch.
Nun hat sich auch Jo Nesbø eingereiht – Sie wissen schon: der norwegische Harry-Hole-Schöpfer und Repräsentant skandinavischer Thriller-Kultur. Das passt schon zusammen, denn hat einen die Eifersucht erst einmal durchseucht, ist es gar kein so großer Schritt mehr hin zu Mord und Totschlag. Davor warnt gleich das Zitat (aus »Othello« natürlich), das Nesbø seiner Sammlung voranstellt.
Zwischen sieben und einhundertzwanzig Seiten sind die sieben Geschichten lang und ebenso unterschiedlich in ihrem Reiz. Die umfangreichste heißt schlicht »Eifersucht«, hat als Protagonisten einen echten Ermittler, und zwar einen keineswegs ›sauberen‹, und sie verläuft angenehm wendungsreich bis zum überraschenden Ende. Die Handlung ist hübsch exotisch und urlaubsaffin auf einer griechischen Insel angesiedelt, wo sich zwei Brüder in dieselbe Frau verliebt haben. Jetzt wird einer von ihnen vermisst.
»London«, die Eingangsgeschichte von knapp 25 Seiten, macht Spaß, weil sie ein wenig paradox anfängt, mit allerlei Statistischem und Makabrem unterhält und raffiniert endet. So ist die Wahrscheinlichkeit, an Bord eines Fliegers einen tödlichen Herzinfarkt zu erleiden, (angeblich) größer als die, bei einem Absturz zu sterben. In der Business-Class eines Transatlantikfluges kommt eine verängstigt wirkende Dame mit ihrem Sitznachbarn ins Gespräch und offenbart ihm eine Reihe ehelicher Geheimnisse. Dass ihr Ehemann sie mit ihrer besten Freundin betrüge, schmerzt sie besonders. Jetzt hofft sie »geradezu, dass das Flugzeug abstürzt«. Und wenn das nicht passieren sollte, hat sie auch schon einen Plan B im Kopf.
»Irgendjemand muss den ganzen Mist ja wegräumen.« Das ist die Quintessenz, die ein Müllmann am Ende der vierten Geschichte (»Abfall«) zieht, nachdem ihm während seines gesamten Arbeitstages die Streitigkeiten mit seiner Frau nicht aus dem Kopf gegangen sind. Und auch in der darauffolgenden Erzählung (»Geständnis«, die zweitkürzeste) geht es makaber zu. Eine Frau wurde vergiftet, und ihr Mann möchte der Polizei bei der Aufklärung des Mordes helfen.
Zwei der verbleibenden drei Texte fallen wie Lückenbüßer oder Füllmaterial aus der Reihe. »Die Warteschlange«, der kürzeste, erzählt von Vordränglern diverser sozialer Provenienz und endet mit erhobenem Zeigefinger, was so gar nicht in die leichte Unterhaltung der Umgebung mit ihrem ironisch-makabren Grundton passen will. »Odd« dagegen ist einfach nur belanglos und öde, wie so manche Literatur, in der Schriftsteller nur um ihre eigenen künstlerischen Schwierigkeiten kreisen und sich damit wichtiger nehmen als die Interessen ihres Publikums. Mit dem Titelbegriff ist nicht das bedeutungsschillernde englische Adjektiv gemeint, sondern ein Bestseller-Autor namens Odd Rimmen, der sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht, weil es ihm an Eingebungen zu einer neuen Story fehlt. Auch daraus kann man einen Hype inszenieren.
Den versöhnlich-heiteren Abschluss des Siebener-Reigens bildet »Ohrring« (21 Seiten). Da nimmt eine korpulente Frau auf der Rückbank eines Taxis Platz – und schreit auf, denn sie landet genau auf dem Schmuckstück, das die vorherige Passagierin verloren hatte.
Sofern es jemanden gibt, der Jo Nesbø noch nicht kennt und sich ausgerechnet mit diesem Band ein erstes Bild machen möchte, mögen ihm die Erzählungen einen ganz unterhaltsamen Einstieg bereiten, ohne ihn indes auf die richtige Fährte zu setzen, denn der Autor hat erheblich mehr auf dem Kasten. Aus eben diesem Grunde ist das Sammelsurium für Kenner und Fans eher enttäuschend. Unter die Haut geht ihnen hier nichts, und Harry Hole fehlt schmerzlich.