Rezension zu »Der Pfau« von Isabel Bogdan

Der Pfau

von


Belletristik · Kiepenheuer & Witsch · · Gebunden · 256 S. · ISBN 9783462048001
Sprache: de · Herkunft: de

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Seine pragmatische Lordschaft laden zum Jagen

Rezension vom 07.04.2016 · 7 x als hilfreich bewertet mit 1 Kommentaren

Mögen Sie die schottischen Highlands, ihren herben Charme und ihre knor­rigen Bewohner? Oder hegen Sie zumin­dest Sympa­thien für das betuliche Wesen und den hinter­gründi­gen Humor briti­scher TV-Krimi­serien vom Schlag eines Inspector Bar­naby? Dann wird Ihnen der Debüt­roman von Isabel Bogdan gefal­len. Sie ist Expertin für lite­rarisch verfei­nerte briti­sche Lebens­art, hat sie doch preis­würdige Leis­tun­gen als Über­setzerin aus dem Engli­schen abge­liefert, bei­spiels­weise Jane Gardams »Ein un­tade­liger Mann« (› Rezension).

Für ihre erste Eigenkreation hat Isabel Bogdan eine ganze Reihe geläu­figer Zutaten zu einer Melange ver­quirlt, die nett und anstren­gungs­frei unter­hält. Sie führt uns nach Schott­land (»oben in dem kleinen Tal am Fuße der High­lands« – mehr Geo­daten braucht es nicht, um alles zu evo­zieren, was zum Topos gehört) in das weit­läufige Anwesen (andert­halb Meilen vom Pförtner- bis zum Herren­haus) einer Familie von nicht minder weit­läufi­gem Adel (zum McIntosh-Clan aus dem 12. Jahr­hundert gehörig). Da tragen selbst die Hunde royale Namen (Victoria und Albert).

Damit der narrative Haggis nicht zu dick­flüssig gerät, wird etwas Moderne beige­mischt: Lord Hamish McIntosh hat einen bürger­lichen Brot­beruf (Alt­philo­loge). Lady Fiona McIntosh repa­riert die Haus­elektrik selbst (!), denn sie ist Ingenieu­rin (!) für Wind­kraft­an­lagen (!). Um alles Grobe, das im Freien anfällt, kümmert sich Ryszard, ein zuver­lässi­ger junger Pole (grenzen­loser EU-Arbeits­markt!). Unter den Dächern der zahl­reichen Gebäude hält die fidele Haus­halts­hilfe Aileen den Laden am Laufen.

Wie wir spätestens in Downton Abbey gelernt haben, werfen solche Domizile schon lange nicht mehr den Preis für ihre Erhal­tung ab. Neben dem schnöden Job muss sich der Adel weitere Ver­dienst­quellen aus­denken. Wie viele ihrer Art­ge­nossen haben auch die mate­riell aus­getrock­neten McIntoshs ihre seit vielen Jahr­zehn­ten ver­lottern­den Wirt­schafts­gebäude, Scheunen und Hütten mit not­ge­drun­gen mini­malem Auf­wand zu Ferien­cottages für Selbst­versor­ger aufge­päppelt. Was die Besucher dort erwartet (oder eben nicht), führt uns die anglo­phile Autorin fein­sinnig und mit wunder­barer leiser Ironie vor Augen. Glück­licher­weise stört sich die avisierte Gäste­ziel­gruppe prinzi­piell nicht an den Unzu­läng­lich­keiten ihrer Ferien auf dem Bauern­hof. Sie schätzen viel­mehr die Urtüm­lichkeit, Ruhe und Natur­nähe. Wer will da schon Fern­sehen, Handy oder Inter­net?

Passend zu diesem Ambiente hat sich Isabel Bogdan eine Handlung ausge­dacht, die keine ver­wirren­den Haken schlägt, nicht durch Span­nungs­gipfel den Blut­druck erhöht noch unkon­trol­liert Emo­tionen auf­wir­belt. Dafür gibt es jede Menge Anlässe zum Schmun­zeln über den launigen Erzähl­stil und die viel­fältigen Charak­tere, und man kann eine winzige Spur von Krimi­rätsel ausmachen.

Was also geht vor auf dem abgele­genen Landsitz von Lord Hamish McIntosh und Lady Fiona? Ihr Schick­sal nimmt einen unerwar­teten Lauf, nachdem seine Lord­schaft auf die Idee verfiel, zur Unter­haltung der zahlen­den Gäste ein paar Pfaue zu erwer­ben, auf dass sie sommers Räder schlagend auf der riesigen Rasen­fläche umher­stol­zieren. Aller­dings gerät einer der Vögel vom rechten Weg ab. Sei es, dass er schlecht sieht oder ein puber­tärer Hormon­schub ihn in die falsche Richtung drängt: Er stürzt sich in der Annahme, es handle sich um einen Rivalen, der ihm seine Hennen abspenstig machen könnte, auf alles, was blau ist und glänzt, und hackt krei­schend und Flügel schla­gend darauf ein. (Un­glaub­lich? Die Autorin macht geltend, dem Phäno­men in natura begegnet zu sein.)

Solange der juvenile Hahn seinen Sturm und Drang an einer blauen Müll­tonne oder einer dekora­tiven blauen Keramik­kugel austobt, mögen sich die Menschen ja über ihn erheitern. Wenn er aber einem Gast­kind das blaue Spiel­zeug aus den Händen pickt, ist Schluss mit lustig. Und er über­schreitet end­gültig die Grenzen des guten Geschmacks, wenn er sich mit der metallic­blauen Motor­haube einer Gäste­limou­sine anlegt. Die zwangs­läufig daraus resul­tieren­den Scha­dens­aus­gleichs­leis­tun­gen bringen außer­dem das Inves­titions­modell der McIntoshs in Schief­lage.

Das Problem erreicht ungeahnte Dimensionen, als im Be­her­ber­gungs­unter­nehmen ein ganz dicker Fisch anbeißt. Das Manage­ment der Invest­ment­abtei­lung einer Londoner Privat­bank mietet für ein verlän­gertes Wochen­ende den West­flügel des Herren­hauses an, um in aller Ruhe seine Team­building-Kompe­tenzen zu opti­mieren. Wie die über­moti­vierte Psycho­login gleich am ersten Abend eine Arbeits­sitzung durch­zieht und vor dem pras­seln­den Kamin­feuer ihre Banker-Eleven mit allerlei Nütz­lich­keiten aus ihrem Modera­to­ren­koffer über­fällt, ist eine hübsche Kari­katur von aufge­blase­nem Be­ratungs­gedöns unter gruppen­dynami­schen Ge­sichts­punkten. Und des Nachts prickelt es im Hot Tub, was der alte Boiler hergibt …

Die Banker könnten zufrieden sein und die McIntoshs ihr Anwesen als Tagungs­oase fürs Big Business etab­lie­ren, wenn nur das Auto der Abtei­lungs­leite­rin nicht so strah­lend blau wäre. Der ein­fachste Ansatz, um dem irren Pfau seine Manie aus­zutrei­ben, betrifft freilich den Übel­täter selbst. Wo kein Vogel, da keine Randale, lautet die schließ­lich reali­sierte prag­mati­sche, wenn auch radi­kale Lösung. Im Gegen­satz zu uns er­schlie­ßen sich die damit verbun­denen Vorgänge und Konse­quenzen den vor Ort An­wesen­den nicht auf Anhieb, wodurch sich weite­rer Lese­spaß ergibt.

Isabel Bogdan serviert uns eine harm- und an­spruchs­lose Wohl­fühl­ge­schich­te mit schotti­schem Flair, die gut und amüsant unter­hält, ohne je die Con­tenance zu ver­lieren. Leider traut sie ihrer Leser­schaft keine sonder­liche Kom­bina­tions­gabe zu. Sie geht lieber auf Nummer sicher, indem sie die Ereig­nisse aus wech­seln­den Per­spek­tiven auf­tischt (witzig: auch als Hund darf man mit­erzäh­len). So bleibt garan­tiert kein Gänse­schiss unbe­achtet, aber mancher Leser könnte bei der dritten Erwähnung versucht sein, das Buch entnervt zuzu­schla­gen. Was übri­gens nicht schlimm wäre, denn dann könnte er die ele­gante Gestalt des tragi­schen Helden auf dem Cover bewun­dern. Ein­drucks­voll schimmert sein Feder­kleid als de­kora­tives Farb­spiel in metalli­schem Blau und Rot auf weißem Unter­grund. Schirm, Tee­tasse und ein Gewehr sym­bolisie­ren, wo es lang geht.


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Kommentare

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Zu »Der Pfau« von Isabel Bogdan wurden 1 Kommentare verfasst:

Holger Drechsler schrieb am 10.07.2019:

Die Geschwätzigkeit und Belanglosigkeit dieses Buches hat mich so genervt, dass ich es, als ich es aus Gründen meiner Frau zum Einschlafen vorlesen sollte, irgendwann entnervt durchs Zimmer warf um dann irgendwas von Tucholsky weiter vorzulesen.

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