Schäfer is back in town
Johannes Schäfer ist Kommissar im Bundeskriminalamt Wien. Eigentlich ist er noch rekonvaleszent. Ein Verbrechen in Tirol verfolgt ihn immer noch: Ängste, Verzweiflung, Leere, eine Depression, die er nun doch mit einem Therapeuten aufarbeitet.
Geschwächt nimmt Schäfer seine Arbeit wieder auf. Er echauffiert sich über die politisch geforderten Sparmaßnahmen des Innenministers. Nur ein paar fähige Beamte sind seinem Kommissariat noch geblieben. Sogar die zentrale Gerichtsmedizin wurde aufgelöst – "Outsourcing" heißt die Devise. Pathologische Untersuchungen werden nur noch bei ganz offensichtlichen Gewaltverbrechen genehmigt und dann in allgemeinmedizinischen Krankenhäusern ausgeführt. So punktet der Innenminister mit schöngefärbten Statistiken: weniger Straftaten, weniger Steuerausgaben. Schäfer kann sich kaum im Zaume halten. Welch ein abgekartetes Spiel zwischen dem Innenminister und Chefinspektor Strasser, seinem "Vollstrecker" und "arroganten Arschkriecher". Schön wär's, alles hinzuschmeißen und Kindergärtner zu sein ...
Georg Haderers Heimatkrimi "Ohnmachtspiele" schildert die Ermittlertätigkeit eines Kommissariats. Nicht das eigentliche Verbrechen in all seinen grausamen Variationen steht im Mittelpunkt, sondern die Recherche; der Leser folgt Schäfers eigenwilliger Aufklärungsstrategie.
Mehrere unklare Todesfälle, zunächst ohne jeglichen Zusammenhang, haben nach Schröders kriminalistischem Gespür eine Gemeinsamkeit: Ein Serienmörder mordet nach den Regeln (man glaubt es kaum:) eines Schnapskartenspiels. (? Wikipedia kennt das Wort nicht, und selbst Google zweifelt, ob da nicht ein Tippfehler vorliegt ... Fündig wird der Nicht-Österreicher nur indirekt, z.B. bei www.ostarrichi.net.)
Schröder und sein Team arbeiten mit allen Finessen, bis sich am Schluss alles aufklärt. Im Mittelteil des Romans zieht sich die Handlung etwas; sie ist nicht wirklich aufregend, auch wenn es zu einem tödlichen Schusswechsel kommt. Diesen Teil sollte man trotzdem konzentriert lesen, sich auf die vielen Personen und Begebenheiten einlassen, die Haderer ins "Spiel" bringt.
Johannes Schäfer, seit zwanzig Jahren im Dienst, ist kein umgänglicher, kein leicht fassbarer Charakter. Nach außen gibt er sich stur, unberechenbar, eckt bei seinen Vorgesetzten an, aber seine Erkrankung zeigt, dass er ein ganz sensibler Mensch ist. Er lebt allein, sucht nach Wärme und zehrt von einem kleinen Liebesgeplänkel.
Im völlig unerwarteten Schlussteil kommt alles anders, als man denkt. Johannes Schäfer läuft zu Höchstform auf, wird einerseits belobigt, andererseits zum Rapport bei seinem Chef bestellt. Aber der kann ihn mal ..., von wegen Dienstaufsicht, denn Schäfer hat noch einen Trumpf in der Hand.
Sprachlich fällt das Kapitel 17 aus dem Rahmen. Jede Menge scheinbar isolierter Aussagen folgen aufeinander, dahinter jeweils in Klammern eine Quellenangabe. Manche statements scheinen eine logische Abfolge zu ergeben, anderes ist auf den ersten Blick absurd: "Trying to understand it all just makes your head hurt (flotation toy warning) " ("Der Versuch, das alles zu verstehen, verursacht dir bloß Kopfschmerzen") – ein Zitat aus einem Song der Londoner Rockband Flotation Toy Warning, deren Namen so etwas wie "Warnhinweis bei Wasserspielzeug" bedeuten könnte. Völlig losgelöst – oder eine Assoziation auf die orangerote Ente des Covers, die auch ein Gegenstand des Romans ist? Ich liebe solche Sprachspiele und Verrätselungen.
Wenn man den Roman durchgelesen hat, lohnt es sich, noch einmal zum Prolog zurückzukehren. Eine rätselhafte Begebenheit ist nämlich der Schlüssel zum Roman. Und so, wie man ein großartiges Gemälde gern mehrmals studiert oder einen interessanten Ort wieder besucht und dabei immer neue reizvolle Details entdeckt, die einen dem Sinn des Ganzen näher bringen, so fühlt man sich verlockt, dieses Buch gleich noch einmal zu lesen, um nun die Details und versteckten Hinweise aufzuspüren.
Insgesamt ist dem Autor Georg Haderer ein attraktives Werk gelungen, welches durch die Auswahl des Buchtitels und des Covers perfekt abgerundet wird.