Julius Fest, eine unberechenbare kranke Seele
Silvia Klages, die zusammen mit Roland in ihrem Haus lebt, wird zum zweiten Mal Opfer eines Verbrechens: Ein Mann bricht ein, schlägt Roland krankenhausreif und schmeißt ihn raus. Silvia nimmt er als Geisel.
Jonas Vogel, ehemaliger Leiter der Mordkommission und nach einem schweren Unfall erblindet, findet während eines Abendspaziergangs den blutüberströmten Roland in der Nähe des Tatorts. Notarztwagen und die Polizei sind schnellstmöglich vor Ort.
Jonas Vogel hat den ersten Fall Klages aufgeklärt. Damals musste Silvia zusehen, wie die Täter ihre Eltern wie Vieh erschlagen haben. Jetzt steckt sie wieder in einer Gewaltsituation. Jonas reißt die kriminaltechnische Vorgehensweise an sich. Der zuständige Leiter der Mordkommission kann sich nicht durchsetzen. So geht Jonas auf das Haus zu, um sich austauschen zu lassen, und tatsächlich: Der Kidnapper, überzeugt, dass ein blinder Kommissar keine Gefahr für ihn sei, lässt Silvia frei.
Julius Fest heißt der Täter; doch er will Henning genannt werden. Nach und nach erfährt der Leser, welches Motiv Julius für diesen Überfall hat. Er ist geprägt von seiner Kindheit und seiner Beziehung zu seinem besten Schulfreund Henning Steiner. Das war ein kluger, frühreifer Junge, der eine innige Freundschaft zu Anni, einem älteren Mädchen, pflegte – und heute ist der 20. Jahrestag seines Todes, denn Henning wurde nur 12 Jahre alt.
Die tagebuchähnliche Struktur (Tag und Uhrzeit) gibt dem Inhalt Tempo. Am Mittwochabend beginnt das Verbrechen, und Donnerstag in den frühen Morgenstunden endet es. Viele Dialoge, klare und kurze Sätze verstärken den Eindruck von Hektik. Der Roman (Genre: Krimi) ist nicht übermäßig spannungsgeladen – der Autor setzt mehr auf die Geschichte hinter dem psychisch kranken Julius. Dieser hat nach dem Verlust seines Freundes in seinem eigenen Leben versagt: keine Ziele, keine Ausbildung. Und jetzt diese Geiselnahme ... Sicher ein Hilferuf.
Der Pensionär Jonas Vogel ist kein sympathischer Charakter. Nicht einmal seine Behinderung, die er mit Hilfe seines treuen Hundes und eines Stockes beherrscht, kann beim Leser eine Spur Mitleid erwecken. Seine überhebliche Selbsteinschätzung und sein leichtsinniges Verhalten stoßen nicht nur bei seinen ehemaligen Kollegen auf Ablehnung. Unter seiner Rücksichtslosigkeit leidet auch seine Familie, insbesondere seine Frau Esther. Die Ehe ist zerrüttet.
Ein unterhaltsamer Krimi auf mittlerem Spannungsniveau.
Friedrich Ani erhielt zweimal den deutschen Krimipreis.