Die Qual der Wahl
Zugegeben: Ein Kalender ist kein besonders originelles Geschenk, und für das Genre »Weihnachtliches«, in das ich ihn hier einsortiert haben, qualifiziert ihn lediglich, dass er besonders häufig unter Weihnachtsbäumen zu finden ist. Dennoch möchte ich Ihnen hier ein solches Stück vorstellen, und zwar nicht nur, weil mir die Bilder darin gut gefallen (eine kleine Auswahl sehen Sie rechts), sondern auch wegen des Konzepts des Verlages dahinter.
»Frontal – Häuserfronten« zeigt ein Dutzend schlicht von vorn fotografierte Ausschnitte von Fassaden der unterschiedlichsten Stile (Fachwerk, Holz, Schlösser …), Zeitalter (Renaissance bis um 1900) und ländlichen Regionen. Einige der Gebäude sind schrecklich verfallen, andere hübsch herausgeputzt, bei manchen wirkt die pure Architektur, andere sind hinter Efeu und Blumen versteckt – jedes Monatsbild erzeugt eine andere Stimmung.
Wenn man sich diese durchweg bejahrten Fassaden nebeneinander anschaut, fällt unter anderem ins Auge, wie sich abseits der Handelszentren Funktion und Form von Türen und Fenstern im Lauf der Zeit gewandelt haben. Ließen Grundbesitzer, Edle und Reiche die Eingänge ihrer Häuser mit massiven Konstruktionen verschließen, um für festen Schutz zu sorgen und jeden Herannahenden mächtig zu beeindrucken, waren die Türen der einfachen Leute kaum mehr als Klappen, um Wetter und Unwillkommene notdürftig draußenzuhalten. Erst mit dem Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert kam auch auf dem Lande der Wunsch auf, die Haustür ›schön‹ zu gestalten, auf dass sie das Ansehen der Bewohner mehre.
An Stelle des vorgestellten Themas »Häuserfronten« könnten beliebige andere stehen, je nach Vorlieben. Ich fand »Frontal – Häuserfronten« zufällig auf der Suche nach einem Wandkalender, der die Vielfalt der Portale, Fenster, Balkone und ganzer Fassadenensembles in Italien zeigt. Bei der Recherche im Internet fiel mir auf, dass der Calvendo-Verlag besonders häufig auftauchte und ein unglaublich breites Sortiment anzubieten scheint, und zwar sowohl an Themen (von »Abendstimmung« bis »Zypern«) wie an Produkten innerhalb jeder Themenschublade.
Bücher und Musik-CDs für die Advents-
und Weihnachtszeit finden Sie hier.
Wie ist das möglich? Anders als konventionelle Verlage, die kosten- und arbeitsintensive Lager gedruckter Werke vorhalten, ist Calvendo eigentlich nur eine Plattform für Amateurfotografen, die aus ihren Privataufnahmen selbst Kalender zusammenstellen und auf den Markt bringen wollen. Der Verlag sorgt für einheitliches Layout und ein standardisiertes Angebot an Ausführungen (Tisch- oder Wandkalender), Größen und Preisen sowie die Vermarktung hauptsächlich im Internet. Es ist vor allem das Print-on-demand-Konzept (Druck nur auf Bestellung), das die schier endlose Produktpalette ermöglicht und jegliche teure Lagerhaltung überflüssig macht. Da alle, die sich berufen fühlen, ihre Publikation auf diesem Wege offerieren können (wobei der Verlag wohl zuraten oder ablehnen wird), gehen Niveau und Geschmack so weit auseinander wie die Themen.
Auffällig ist übrigens, dass im Gegensatz zu den konventionellen Verlagen mit ihren brillanten »Gemäldesammlungen« hier so gut wie keine Kunstkalender im Repertoire sind. Zu herausfordernd, zu teuer in der Herstellung? Höhere Lizenzgebühren als für Amateurfotografen?
Zur Qualität der technischen Ausführung kann ich entgegen meiner Absicht leider nichts sagen, da ich kein Rezensionsexemplar erhielt. Welche Papier-, Farb- und Druckqualität, welche Art der Spiralbindung wird verwendet? Gibt es eine stabile Pappe als Rückseite, oder lässt das Papier bald seine Ohren hängen? Finden sich auf dem Kalenderblatt Angaben, was und welchen Ort das Foto zeigt (zumindest bei Architekturfotografie meines Erachtens unverzichtbar), und vielleicht ein paar Erläuterungen dazu? Wer hat das Foto gemacht? (Bei »Häuserfronten« erfährt man in der Internet-Gallery leider nichts als den Künstlernamen »Flori0«.)
Insgesamt muss meine Rezension des »Häuserfronten«-Kalenders folglich leider unvollständig und seine Beurteilung unentschieden bleiben. Fotos und Auswahl gefallen mir, wie ich sie mir im Internet anschauen durfte, die Machart bleibt mir ein Rätsel –, und so muss es bei drei Sternen bleiben.