Rezension zu »Der Hund des Nordens« von Elizabeth McKenzie

Der Hund des Nordens

von


Die gute Penny steht vor einem Scherbenhaufen: Ehe gescheitert, Job gekündigt, Eltern verschollen, Großmutter durchgedreht. Ihre Neigung, sich um alles und jedes kümmern zu wollen, führt sie bis nach Australien. Auf ihren Wegen begegnen ihr jede Menge bunter Käuze.
Belletristik · Dumont · · 352 S. · ISBN 9783832168049
Sprache: de · Herkunft: us

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Ein Mädchen für alles

Rezension vom 06.10.2024 · noch unbewertet · noch unkommentiert

Penny Rush ist 35 und sitzt im Zug von Salinas nach Santa Barbara. Die geruhsame Fahrt will sie genießen und nimmt sich sogar Zeit, sich von einer Wahr­sagerin aus der Hand lesen zu lassen. Doch etwas Neues erfährt sie dabei keines­wegs. »Sie lassen sich leicht ausnutzen« – das war ihr schon immer klar. Dann muss sie eine Weile einem unerhört lauten Ehepaar zuhören, bis sie sich endlich in ihre eigene Familien­welt versenken kann. Santa Barbara: Dort, wo sie als Kind bei den Groß­eltern schöne Tage verbracht hat, will sie jetzt einen Gegen­pol finden zu der miss­lichen Lebens­situation ihrer Gegen­wart. Mit der Wäsche ihres Mannes hat sie einen ausge­leier­ten Tanga mitge­waschen und kam so seinen Koks-Eskapaden mit einer anderen auf die Schliche, die Aus­sprachen mit ihm waren demüti­gend, seit drei Wochen wohnt sie in einem Motel, hat jetzt ihren Job gekündigt und alle Brücken abge­brochen.

Insgesamt war Pennys Kindheit aller­dings auch nicht gerade glücklich. Ihre Mutter Ardis war stets von Rast­losig­keit getrieben und brach wieder­holt zu neuen Ufern auf. Schließ­lich ließ sie den »ame­rikani­schen Traum« und ihre Tochter in Kali­fornien zurück und wanderte mit ihrem zweiten Ehemann nach Austra­lien aus, wo beide in unge­brems­ter Aben­teuer­lust von Ort zu Ort zogen, bis sie fünf Jahre vor Pennys Zugfahrt voll­ständig von der Welt­karte ver­schwan­den.

Mit Pennys Ankunft in Santa Barbara nimmt eine schier endlose Reihe von mehr oder weniger grotesken Anekdoten ihren Lauf, bevölkert von zahl­reichen Personen meist greller Couleur. Am Bahnhof holt Penny ein lang­jähri­ger Ver­trau­ter der Familie ab, der Steuer­berater Burt Lampey. Im Laufe der Zeit erfahren wir, dass der Toupet­träger eine geschei­terte Ehe hinter sich, eine Tochter in Montreal und einen vier­zehn Jahre jünge­ren Bruder in San Franciso hat. Als der eines Tages anreist, um sich persön­lich um das Wohl seines Bruders zu kümmern, weiß Penny selbst nicht so genau, warum sie ihn un­wider­steh­lich findet.

Die skurrilste Figur ist zweifellos Pennys 82-jährige Groß­mutter Luise. Der robus­ten, selbst­siche­ren alten Texa­nerin kann niemand so leicht ein O für ein U vormachen. Als Ärztin ist sie zwar im Ruhe­stand, doch Not­fälle wie Burts Kollaps zu behan­deln traut sie sich allemal noch zu. Ihr Dick­kopf schafft ihr und ihren Mit­men­schen ebenso heftige Probleme wie ihr Messi-Haushalt, in dem sie schier zu er­sticken droht. Auch ihre Aggres­sivität macht den Umgang mit ihr nicht ange­nehmer – sie »hatte etwas unbe­streit­bar Teufli­sches an sich«. Das bekommt nicht nur Burt zu spüren, wenn sie ihn schmäht (»ein nütz­licher Idiot«) und ihm Ver­untreu­ung und Diebstahl unter­stellt. Wehe dem, der sie auf dem falschen Fuß erwischt, wenn sie mit ihrer Waffe unter­wegs ist. So hätte der Fahrer von »Essen auf Rädern« kürzlich um sein Leben fürchten müssen, wenn er es gewagt hätte, ihr Grund­stück zu betreten.

Auch Großmutters Ehe mit Arlo Pincer war von Streite­reien geprägt. Seit Langem stimmt ihn traurig, dass seine Tochter irgend­wo im Outback ver­schwun­den ist. Jetzt lebt er mit Doris Roofla Resh­nappet, einer umwer­fend gut aus­sehen­den, herz­losen Frau von nicht einmal siebzig Jahren zu­sam­men. Die würde den 93-Jäh­rigen gern in ein Heim abschie­ben, zumal er nach einem Sturz ambu­lanter Pflege bedarf. Arlo seiner­seits glaubt, seine hübsche Doris samt der­zeiti­ger Pflegerin wollten ihn um­bringen.

Zu dem Potpourri von traurig-komisch ver­korks­ten Figuren gesellt sich Pennys biologi­scher Vater Gaspard, der seit ewigen Zeiten gegen psychi­sche und geistige Probleme ankämpft und jetzt nach langer Arbeits­un­fähig­keit einen Job als Sattel­schlep­per­fahrer hat.

So geht es weiter und weiter. Episode folgt auf Episode, ohne dass sich ein irgendwie stimmiges Hand­lungs­konzept oder ein sinn­stiften­des Motiv er­schlie­ßen ließe – außer dass Penny genug Gründe findet, sich kümmern zu müssen.

Während ihres Aufenthalts in Santa Barbara hat sie eine kosten­günstige Unter­kunft in Burts bunt bemaltem Kleinbus. Der trägt den Namen »Der Hund des Nordens« (über­tragen vom Lieb­lings­roman von Burts Exfrau), spielt aber trotzdem nur eine unter­geord­nete Rolle im Plot. Penny schläft halt hier auf einem Futon und fährt das schau­kelnde Vehikel ge­legent­lich. Im Gegen­zug kümmert sie sich um »Quetschie«, Burts Zwerg­spitz mit eige­nem Hand­lungs­strang.

Als hätte sie nicht schon genug zum Kümmern an der Backe, macht ihre jüngere Schwester Margaret aus Austra­lien Druck: Was soll mit dem verfal­lenen Eltern­haus geschehen? Und was ist aus den Eltern eigent­lich geworden?

Mit diesem Startschuss bricht auf Seite 179 endlich der »Road­trip« los, den der Klappen­text des Buches ver­spricht. Penny jettet nach Down Under, begleitet von Opa Arlo und dem Mini­hund, um die Eltern zu suchen.

Auch wenn ich dem ganzen Misch­masch aus schrägen Figuren und abstrusen Situa­tionen keiner­lei tiefe­ren Sinn abge­winnen konnte, beschert Pennys Erleb­nis­erzäh­lung uns Lesern nette Unter­haltung, leicht­füßig und umweht von einem zarten Hauch eigen­artiger Melan­cho­lie. Jeder der vielen Cha­rak­tere ist in­divi­duell und detail­ver­sessen ge­zeich­net, und jeder ist auf seine eigene Weise mehr oder weniger ver­störend. Kann Penny glauben, dass Burt sein Toupet mit dem Bruder in San Fran­cisco teilt und per Post hin und her schickt?

Die Gute führt ein unruhiges Dasein. Ständig kreuzen neue Käuze und Über­raschun­gen ihren Weg, drängen ernste Ent­schei­dun­gen. Leider finden auch wir im flachen, aber breiten Wild­bach inhalt­licher Irrun­gen und Wirrun­gen keinen Halt und verlieren die Orien­tierung auf der Suche nach einem Ziel.

»The Dog of the North« wurde von Stefanie Ochel ins Deut­sche übersetzt.


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