Amüsanter Einführungskurs ins Belpaese
Nette Episödchen mitten aus dem bikulturellen Familienleben, ein paar harmlose Liebeleien, erfreulich schmerzfrei bewältigte berufliche Engpässe, zu allem ein beruhigendes Happy End, vor allem aber eine Vielzahl hübsch aufbereiteter deutsch-italienischer Klischees und Missverständnisse – das bietet Dori Mellinas Romanerstling. Eine Sommerabend-laue Sorglos-Urlaubslektüre für Italien-Freunde und solche, die es werden wollen.
Wie viele Vorstellungen tragen wir mit uns herum, wie der typische Italiener beschaffen sei, wie er tickt, spricht und gestikuliert? Eingebettet in eine mühelos verdauliche Handlung, führt uns die Autorin viele davon vor. Das tut sie mit viel Augenzwinkern und ohne Belehrungston. Um das Vergnügen zu vervollständigen, dreht die gebürtige Italienerin den Spieß um und behandelt parallel, was in ihrem Heimatland so über den »typischen Deutschen« im Umlauf ist.
Was im Einzelnen passiert, musste sich Dori Mellina gar nicht mühevoll aus den Fingern saugen, denn, so scheint es jedenfalls, ihre eigene Biografie stellte ihr Stoff im Überfluss bereit. Wie sie selbst, wurde ihre Protagonistin und Ich-Erzählerin Laura Mattina am Gardasee groß, über den manche lästern, es sei der südlichste Vorort von München. Wie dem auch sei, Laura/Dori haben »die Deutschen« schon früh und intensiv kennengelernt. Beide leben heute mit Mann (deutsch) und Tochter (italienisch-deutsch) in München (Laura) bzw. Süddeutschland (Dori), wo sie als Pharmareferentin (Laura) bzw. in der Werbebranche (Dori) arbeiten.
Herr Dickerson, Lauras finnischer Boss, ist einer von denen, die ihr mit ihren Vorurteilen, noch dazu »mit hinkenden Deutschkenntnissen« vorgetragen, gehörig auf die Nerven gehen: »Hat die Italiener die Weg zur Arbeit doch gefunden?« Selbst zu Hause beherbergt sie in Gestalt ihres pingeligen Partners Martin eine wandelnde Klischeesammlung. Gerne weist er die Mutter der gemeinsamen vierjährigen Tochter Sara durch Pappschilder auf Missstände hin, wie etwa den verlotterten Zustand ihres Fiat Punto. Derlei Einmischung in ihren persönlichen Lebensstil geht Laura denn doch zu weit.
Gut, dass Laura beste Freundinnen hat (Italienerinnen, versteht sich), die ihr mit klugem Rat und hilfreichen Taten zur Seite stehen. Als die »Kulturinkompatibilität« zwischen dem deutschen »Korinthenkacker« und ihrem mediterranen Temperament ihr Maximum erreicht, bietet eine von ihnen ihre Wohnung als sichere Zuflucht für Laura und Tochter an. Hier findet sie Abstand und Ablenkung von ihrem Beziehungsgedöns und kann sich unbelastet der Eventagentur widmen, die die Freundinnen gemeinsam gegründet haben. Ihre Geschäftsidee ist, aus den gängigen Klischees Kapital zu schlagen. Sie könnten zum Beispiel Hochzeiten mit italienischem Flair aufpeppen oder Kochkurse auf Italienisch anbieten, mit einer echten italienischen Mama am Herd.
Welche Aufträge bald ins Haus flattern, wird natürlich nicht verraten. Dass Laura aber bald ein supertoller Mann (Italiener natürlich) über den Weg läuft, kann man sich denken, ebenso wie die weitere Entwicklung: Hoffnung, Glück und neue Probleme ...
Tiefgang darf man von diesem heiteren Sommerroman nicht erwarten. Aber die schier endlose Fülle witziger Einfälle und hübsch illustrierter Details macht ihn lesenswert. Was man »am Italiener« liebt, was man »am Deutschen« schätzt, was leicht zu Missverständnissen führen kann, was es mit der »bella figura« und dergleichen auf sich hat, wie ein Auslandsitaliener über sein Heimatland denkt, all das erläutert die Autorin im seichten Dahinplätschern ihres Plots durchaus überzeugend. Besonders gelungen finde ich die zahlreichen Fußnoten, die italienische Formulierungen aus dem Text übersetzen, aber auch aufschlussreiche Zusatzinformationen bieten, zum Beispiel über Bedeutungsvarianten (»casino«) oder über den Sinn typischer Gesten und Gepflogenheiten (etwa die »bustina«, die man einem Brautpaar zusteckt).
Nicht einfach zu verdauen ist das in Italien verbreitete Bild der Frau, das viel stärker als bei uns aufs Äußere und Dekorative bedacht ist und dem sich die Italienerinnen willig unterzuordnen scheinen. Auf der anderen Seite hat die traditionelle Wertschätzung der Familie offenbar nichts eingebüßt. »La famiglia è sempre la famiglia« – davon sind die meisten Italiener immer noch überzeugt und stellen sich ungebrochen der daraus resultierenden Verantwortung füreinander. Auch Dori Mellina erzählt auf die liebenswerteste Weise von ihrer Nonna, ihrem Nonno und der Zia.