Max und Model Marga - ein makabrer Lese-Leckerbissen
Max Broll, Journalist in Wien, kehrt in sein Heimatdorf zurück. Dort pflegt er mit Hingabe seinen schwerkranken Vater und begräbt ihn schließlich auch.
Der Vater war Totengräber, und mit ihm hatte Max eine glückliche Kindheit verbracht. Wenn der Vater die alten Gräber aushob, spielte der Junge mit den umhertanzenden Knochen, die mit der Erde nach oben flogen. Der Tod war für ihn so normal wie das Leben.
Den Beruf, den niemand ausüben möchte, übernimmt nun Max – mit Leidenschaft. Wie gerne wählt er für die Verstorbenen die endgültige Ruhestätte aus, gräbt das Loch bis zur Perfektion. Zufrieden ist er erst, wenn er sich selber in die Tiefe gelegt und gespürt hat, wie es sich da anfühlt.
Natürlich wohnt Max im Friedhofswärterhäuschen, das er sich mit Tilda, Vaters zweiter Frau, teilt. Sie ist Chefinspektorin bei der Polizei.
Max' erste Liebe aus früher Jugend heißt Emma, und sie ist seine einzige geblieben. Mittlerweile ist sie Modedesignerin und wird demnächst nach London ziehen. Zwar hat er seit zehn Jahren schon keinen Kontakt mehr zu ihr – das Kapitel ist für ihn abgeschlossen -, aber die kleine Flamme hat er nie endgültig löschen können.
Emma hat auch eine Zwillingsschwester namens Marga, eine beneidenswert hübsche Frau und Model von Beruf. Doch die beiden Schwestern sind absolute Gegensätze. Neben Margas Ausstrahlung vollendeter Schönheit fühlt sich Emma immer ganz klein. Für Marga ist ihre Neid erregende äußere Hülle jedoch die Mauer eines Gefängnisses, aus dem sie sich nicht befreien kann. Das hat sie psychisch krank gemacht: Ihre Bulimie ist nicht zu übersehen, es gab einen Selbstmordversuch, danach einen Klinikaufenthalt. Doch Kattnig, ihr Manager und Fotograf, holt sie da heraus. Sie wird beim Casting zur TV-Sendung "Bauer sucht Frau" ausgewählt und findet auf Anhieb ihren Traumbauernmann August Horak. Zeitungen und Medien reißen sich, um ein Foto zu ergattern. Auf dem Höhepunkt ihres Comebacks springt sie völlig unerwartet vom Dach ihres Wohnhauses in Wien.
Nun soll sie im Dorf begraben werden. Emma ist schon angereist. Sie ist empört, dass Kattnig die Einbalsamierung des Leichnams angeordnet hat, um Marga in ihrer vollendeten Schönheit noch ein letztes Mal publikumswirksam "aufleben" lassen. Nach dem Trauergottesdienst erleidet er an der Grabstätte einen Nervenzusammenbruch.
Hätte Max nicht die Uhr seines Vaters verloren, wäre der Roman an dieser Stelle zu Ende und gar kein Krimi. Aber so vermutet er die Uhr im Erdreich, will sie finden und gräbt folglich in aller Heimlichkeit Margas Sarg wieder aus. Der ist überraschend leicht – denn er ist leer. Wo ist die schöne Leiche?
Peu à peu entwickelt sich der Kriminalfall. Tilda ermittelt, Max pfuscht ihr oft mit seinen eigenen Aktionen dazwischen, viele geraten in Verdacht – doch weder von Marga selig noch von einem überzeugenden Motiv gibt es eine Spur. Bis dann ein – absolut stimmiger – Schluss daherkommt, mit dem wohl niemand gerechnet hat, und ein Epilog – oder auch Prolog – den Fall abrundet.
Dieser Debüt-Kriminalroman ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Die Handlung ist voller höchst makabrer Elemente, die durch den originellen Erzählstil ironisch gebrochen werden. Erzählt wird im Präsens und vorzugsweise in schlichten Hauptsätzen sowie vielen, vielen Fragesätzen. Außerdem liebt der Autor kaum verbundene Aufzählungen von Aktionen und Ausrufen ("Wie sein Gesicht rot wird [...] wie er durch die Küche rennt, immer wieder auf etwas schlägt, auf den Kühlschrank, auf den Herd, immer wieder auf den Tisch mit seiner Faust", S. 87) , was zusammen mit der morbiden Atmosphäre geradezu kafkaeske Wirkungen erzeugt.
Streng von den Erzähltexten getrennt sind die minimalistischen Dialogpartieen. Da gibt es keinerlei einführende Sätze, nicht einmal die Namen der Sprechenden, sondern einfach nur die Reden, eine unter der anderen, meist nur einen Satz, oft nur ein, zwei Wörter lang – oder auch gar nichts (also Schweigen).
So wirkt die Lektüre temporeich, direkt, faszinierend, frappierend. Bernhard Aichners eigenwilliger Sprachstil hat einen hohen Unterhaltungs- und Wiedererkennungswert. Viele Autoren grenzen ihre Werke durch einen hochgradig individualisierten Kommissar von der Konkurrenz ab – Linley, Lund & Co. -, kochen aber ansonsten durchaus ähnliche Süppchen. Bernhard Aichners "Schöne und der Tod" hingegen ist österreichische "nouvelle cuisine", die ganz andere Zutaten auftischt, den Gaumen kitzelt und nachhaltig in Erinnerung bleibt.