Dichtung oder Wahrheit
Um es direkt zu sagen, ich bin absolut kein Fan von Fantasy-Romanen.
Am Gründonnerstag schwebt bei starkem Sturm und gleißendem Licht der gekreuzigte Jesus vom kostbaren Silberkreuz der Duiske Abbey herab. Der Hausmeister Seamus Whelan (103 Jahre alt) findet die fleischgewordene Jesusfigur auf dem blutgetränkten Teppichboden. Sofort wird dieser verletzte nackte Mann ins Hospital gebracht und operiert. Als die Krankenschwester ihn mit den Worten "I am Maria" begrüßt, wird ihm klar, dass er sich zwar in unbekannter, ungewohnter Umgebung befindet, aber seine Mutter nahe ist.
Dem Bischof wird von dieser Wundererscheinung berichtet. Als Routinier auf diesem Gebiet fällt sein Urteil sofort: Das ist alles Betrug und Blasphemie.
Trotz meiner Skepsis muss ich sagen, dass ich positiv überrascht bin. In dieser kurzen Leseprobe haben mir die handelnden Personen, die Handlungsorte, die Bearbeitung des Themas - Betrug oder übernatürliches Wunder - und der Sprachstil gefallen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass der Autor den Plot seines Romans nicht so ernst nimmt und ihn locker und mit Humor bearbeitet. So erhält der Unbekannte während seines Krankenhausaufenthaltes den Namen "Mr X". Dies ist im englischsprachigen Raum ein Synonym für Christus (vgl. "Xmas" für Christmas) und zugleich eine spöttische Anspielung auf den Heiland.
Könnte sich am Ende des Romans die "Messias" -Erscheinung als großer Humbug herausstellen? Aber das ist natürlich nur die Spekulation einer Skeptikerin.