Phase I ist abgeschlossen!
"Das soll mir erst mal einer nachmachen!" – mit diesem Gedanken entfernt sich der fremde Mann vom Tatort. In seinen Händen klebt ein blutiger Skalp mit kupferroten Haaren – sein Talisman, nachdem er auf grauenvolle Weise eine junge, durchtrainierte Frau in ihrer Wohnung überfallen, in einem heftigen Zweikampf überwältigt und mit seinem Messer verletzt hatte? Wohl kaum, denn er will diesen widerlichen, haarigen Hautfetzen loswerden. Nirgendwo findet er eine Mülltonne, und so vergräbt er das Beweisstück schließlich. Warum aber hat er ihr diese Tortur bewusst bei lebendigem Leibe angetan?
Zuhause findet er seine Frau (rothaarig) im Bett liegend. Er duscht schnell, lässt Waschmaschine und Spülmaschine mit dem Messer darin laufen – man wird keine DNA-Spuren mehr finden. Aber die Wirkung der Aufputschmittel lässt spürbar nach; bald wird er sich wieder ganz elend fühlen. Ruhelos liegt er in seinem Bett, schläft nur 3 Stunden. Doch auch Churchill, der – wie er – etwas Großes schuf, kam mit so wenig Schlaf aus. Phase I ist abgeschlossen; nun kann er sich voll auf Phase II konzentrieren ...
Die überwältigte Frau ist Renée Pettersen, eine Polizistin. Trotz ihrer Kondition und Karateausbildung verdankt sie es nur ihren Nachbarn, dass sie überlebt hat, denn die heftigen Kampfgeräusche veranlassten diese, an Renées Tür zu klingeln, woraufhin der Täter von seinem Opfer abließ und flüchtete. Mit letzter Kraft schafft es Reneé jetzt, ihren Vorgesetzten Paul Vegter anzurufen, der sich sofort auf den Weg macht. Er betritt eine völlig verwüstete Wohnung und findet seine Kollegin in einem Blutbad. Umgehend setzt er die gesamte Polizeimaschinerie in Gang; Reneé wird ins Krankenhaus gebracht.
Wie krank ist ein Täter, der der Welt beweisen will, dass es wohl niemanden außer ihm gibt, der in der Lage ist, solche Taten zu planen und durchzuführen? Er sucht Bewunderung und Anerkennung. Auf Reneés Bauch hatte er mit Messerschnitten deutlich lesbar eine römische I hinterlassen – Ordnung muss sein ...
Gerne lasse ich mich auf den Psychothriller der niederländischen Bestsellerautorin Lieneke Dijkzeul ein, obwohl ihr Protagonist eine Bestie ist. Im Alltag führt er wahrscheinlich ein unauffälliges, normales Leben. Warum treibt es ihn zu diesen Wahnsinnstaten? Warum hat er ausgerechnet Reneé als Opfer ausgewählt? Was hat es mit den kupferroten Haaren auf sich, die den Kopf seiner Partnerin wie den des Opfers schmücken? Blut und Haare: alles verschwimmt mir rot vor meinen Augen ...
Ganz ehrlich: Eigentlich liebe ich es subtiler.