Anna, eine Emanze im Mittelalter
Hofmark Kaltenberg, Baiern, Anfang September im Jahr der Herrn 1315:
Anna, die einzige Tochter des Dorfschmieds, soll dessen Knecht Kilian heiraten. Doch die selbstbewusste junge Frau weigert sich, diese Zweckehe einzugehen. Sie liebt nämlich Ulrich von Rohrbach, den zwanzigjährigen Burgherrn. In aller Heimlichkeit treffen sie sich zu ihrem Techtelmechtel.
Feindliche Ritterkohorten fallen über das das beschauliche Kaltenberg her. Sie brandschatzen, plündern, schänden die Frauen und töten hemmungslos. Anna versteckt sich hinter einem Gebüsch. Dort entdeckt sie ein fremder Ritter, packt sie, zerrt sie hervor, und nur ihr Bruder kann sie vor dem Schlimmsten bewahren: Er schlägt dem Angreifer einen Stock ins Genick, schreit "Anna, lauf!" – und dann spaltet ihn ein Schwert in zwei Teile.
Anna flieht zur Burg Ulrichs von Rohrbach. Als ein Ritter sie aufhält und bedroht, verflucht sie ihn: "Fahrt zur Hölle!" Damit hat sie sich einen Feind geschaffen, der sie überallhin verfolgen wird, um sie dann zu töten.
Diese Leseprobe ist voller Handlungsmuster, wie sie in historischen Romanen in unterschiedlichen Mischungen häufig wiederkehren. Im Mittelpunkt steht die starke, mutige Magd, die sich über Klassenschranken hinwegsetzt, die Geliebte eines Adligen ist, einem überlegenen Ritter Widerstand leistet. Ihr drohen Verfolgung und Bestrafung, im schlimmsten Fall der Scheiterhaufen.
Gut, derlei hatten wir zwar schon mal. Aber es gibt keine Gattung, für die dieser Satz nicht gelten würde ... Immerhin ist dieser Roman atmosphärisch dicht gestaltet. Die Lebensverhältnisse des Mittelalters sind überzeugend und anschaulich beschrieben. Armut und Abhängigkeit der einfachen Menschen, die hart arbeiten, ihre Abgaben an die Obrigkeit entrichten und am Ende des Tages gerade noch überleben können (ja, auch das schon ein Klischee) , führt die Autorin bildhaft-realistisch vor.
Fazit: Ein interessanter, abwechslungsreicher, spannender Romanauszug, der hoffen lässt, dass die Fortführung möglicherweise das Klischeehafte verlässt und dann umso reizvoller sein kann.