Walpurgisnacht: Feuerlichter im dunklen, kalten Norden
Was hat Per Mörner nur verbrochen? Er muss für eine Schuld seines Vaters büßen, und natürlich stellt man sich gleich ein total abgründiges Verbrechen vor. In der Tat haben die Rächer auch für Per eine der grausamsten Tötungsmethoden gewählt: Er wird mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib angezündet – er wird eine lebende Fackel und muss Höllenqualen leiden. Bevor der Täter, der wie ein Troll aussah, sein Streichholz entzündete, hatte Per noch versucht, um Gnade zu flehen. Er versprach, niemanden zu verraten. Doch als Reaktion vernimmt er bloß noch die sarkastischen Worte: "Es ist Walpurgisnacht! Heute brennen überall Feuer."
An einem Altenheim fährt ein Leichenwagen vor. Dort gehört der Tod zum Alltag. Heute ist es Torsten Axelsson, morgen könnte es Gerlof Davidsson sein. Der hat dem Abtransport zugesehen und glaubt an Vorsehung. Kürzlich hatte er ganz deutlich das Rattern der Räder des Leichenwagens gehört. Der nächste gezimmerte Sarg wird seiner sein – also "nichts wie weg hier!" Gerlof kann die Heimleiterin überzeugen, das Haus verlassen zu dürfen. Seine Tochter holt ihn ab und bringt ihn ins Sommerhaus nach Stenvik, einem alten Fischerdorf. Mit Hilfe einer Putzfrau, medizinischer Versorgung und Essen auf Rädern wird er wohl noch eine Weile leben.
Die Leseprobe springt zeitlich zurück, in das Leben Per Mörners. Er hat 13-jährige Zwillinge, einen Jungen namens Jesper und ein Mädchen namens Nilla. Seine Exfrau hat einen stinkreichen neuen Partner. Per kann ihn nicht ausstehen, da der seine Kinder mit Geschenken überhäuft. Doch eigentlich ist das völlig unwichtig; viel mehr belastet ihn die Erkrankung seiner Tochter. Er und Jesper haben sie gerade im Krankenhaus abgegeben, und morgen beginnt für sie das volle medizinische Programm: EKG, Ultraschall, CT, Röntgen, großes Blutbild ... Bisher hatten die Ärzte Nillas seltsame Beschwerden als normale Pubertätserscheinungen abgetan.
Johan Theorín lässt seinen Krimi also mit zwei Handlungssträngen beginnen. Schockierender als mit einer Verbrennung kann man einen Romananfang wohl kaum gestalten. Auch die Nebenschauplätze haben Gänsehautcharakter. Der Tote aus dem Altenheim war von Beruf Totengräber. Und Gerlofs Eltern waren 1910 in ein lange leerstehendes Häuschen gezogen, wo sie jede Nacht angsterfüllt in ihren Ehebetten lagen, denn sie hörten unheimliche Geräusche auf dem Dachboden. Aber dort war niemand. Stattdessen stand bald der Nachbar vor der Tür, sein Bruder sei gestorben, sagte er, und er bat um Bretter vom Dachboden, um einen Sarg daraus zu zimmern ...
Die Leseprobe endet mit einem furchtbaren Unfall, an dem ein Laster und ein PKW beteiligt sind. Die Autos können einander zwar ausweichen, aber der PKW gerät ins Schleudern und bewegt sich unaufhaltsam auf eine Sandkiste zu. Auf der sitzt gedankenverloren: Jesper ...
Johan Theorín hat in eindringlicher Sprache spannungsgeladene Schauplätze erschaffen. Wie alles zusammengehört, wer noch alles sterben muss, wird er in seinem Roman "Blutstein" eindrucksvoll und packend beschreiben.