Jade, mien seuten Deern
Unser Ich-Erzähler Sönke und die Dorfpolizistin Maria erwarten am Hamburger Flughafen die 15-jährige Cousine Jade. Anscheinend hat sie die Maschine verpasst, denn sie können sie unter den Ankommenden nicht ausmachen. Sönke wählt ihre Handynummer, und schon wird klar, dass sie sie nicht erkennen konnten: Aus dem putzigen kleinen Mädel von einst ist eine in Schwarz gehüllte, schwarzhaarige, weißmaskierte, metallbehangene "Gothic" geworden. Gemütlich sitzt sie an der Bar zwischen einer Gruppe Punks. Man verabschiedet sich aufwendig, während Sönke und Maria recht sparsam begrüßt werden.
Kaum sind alle im Mini verstaut, setzt Maria den Bleifuß aufs Gaspedal, um in Dagebühl die Nachtfähre nach Föhr zu erreichen. Weil natürlich zu schnell, wird sie von der Fahrbahn gewunken. Was soll's, es sind ja – Gott sei Dank – ihre Kollegen. Nett: Von ihnen erfährt sie, dass sie demnächst auf dem zukünftigen Dienstplan der Autobahnpolizei steht. Ein echter Hammer, hat sie sich doch endlich als Dorfpolizistin eingelebt und die Zweisamkeit mit Sönke in ihrem schönen Reetdachhaus zu schätzen gelernt ...
Bald nach dieser ärgerlichen Unterbrechung sehen sie ihre Fähre davonschippern. Nun heißt's improvisieren und auf dem Deich eine Übernachtung im dafür schon vom Namen her nicht unbedingt idealen Mini organisieren ... Heftige Winde vertreiben sie schnell von ihrem Schlafplatz.
Am Morgen erreichen sie mit der ersten Fähre die Insel, wo sie schon am Ufer Oma abfängt, wie immer leicht zu identifizieren mit ihrem roten Hosenanzug, dickem Make-up und blond gefärbtem Haar. "Jade, mien seuten Deern", umarmt sie ihre Enkelin und hat gleich eine gute Anregung: Wenn sich "Gothics" für Tod und Vergänglichkeit interessieren, dann sollten sie das vorbereitete Picknick doch direkt auf dem Friedhof genießen, inmitten all der Verwandten, die hier seit Jahrhunderten liegen, und ihren in Stein gemeißelten Lebensgeschichten – fast eine Familienfeier.
Eine nette Leseprobe, die ihren besonderen Kick erhält durch Kontraste und überraschende Parallelen: Jade ist eigentlich ein völlig normal pubertierendes Mädchen mit Handy, aber einer etwas absonderlich gewählten Gruppenaffinität, und nicht unähnlich ist die Oma etwas überdreht ewig jugendlich. Beide sind ein bisschen queer, aber selbstbewusst und tolerant, und werden eine amüsante Symbiose bilden, die manche Klöpse zur Folge haben wird. Zwischen diesen polarisierenden Generationenvertreterinnen werden es die eher konservativen jungen Erwachsenen Sönke und Maria nicht einfach haben ...
Ein unterhaltsamer, flott zu lesender Sommerroman. Nur sollte man nicht zu übermütig werden und, wie auf dem Cover abgebildet, mit seinem Strandkorb in See stechen ...