Lustig ist heute das Schülerleben, faria, faria, ho ...
Schlimm genug, dass es in vielen Schulen so zugeht, wie es diese Gesamtschullehrerin in ihren kleinen "amüsanten" Episoden beschreibt. Ich möchte nicht mit ihr tauschen. Sie braucht starke Bandagen, ein dickes Fell, gleichzeitig ein gewaltig hypertrophes Herz – und viel Humor, um Schüler des porträtierten Kalibers nicht nur zu ertragen, sondern sogar zu betreuen und im besten Fall zu erreichen.
All das bringt die Autorin mit – und auch die Gabe, ihren höchsten Respekt verdienenden Alltag locker-flockig zu schildern. Insofern: Gut gemacht, Frau Freitag. Aber mit diesem Buch muss es sich dann auch ausgechillt haben, bitteschön.
Denn was sich so lustig liest, ist in meinen Augen einfach nur furchtbar traurig. Nein, das alles hat absolut nichts mehr mit "Schülerstreichen" zu tun. Da gehen junge Menschen zur Schule (sofern sie denn überhaupt erscheinen) – und lassen die kostbarste Zeit ihres Lebens hohl und leer verrinnen. Lernen ist nicht hip – und wofür auch? Irgend jemand wird ihr Leben schon richten. So die weit verbreitete Lebensphilosophie, die über viele Kanäle Verstärkung findet.
Wie konnte es soweit kommen in einem hochzivilisierten Land, in dem viele Generationen hart um eben jene Rechte gekämpft haben, die nun von vielen Jugendlichen und deren Eltern mit Füßen getreten werden – das Recht auf Schulbildung, auf die freie Entfaltung der besten Talente, die jeder in sich trägt, auf ungehinderten Aufstieg in einer freien Gesellschaft? Die Antworten sind komplex, und wir alle kennen die politisch korrekten Diskussionen um Migrationsprobleme, um Eltern, die sich nicht kümmern, um die Medien, um die falschen Vorbilder. Konsequenzen daraus – eine Besinnung oder gar ein Konsens über das, was einer Gesellschaft gut tut, geschweige denn ein konkretes politisches Umlenken – kann ich nirgendwo erkennen. Wohin treibt unsere Gesellschaft, wenn diese Entwicklung weiter toleriert wird? Wenn ich mir vorstelle, wie viele dieser Erols, Reinholds, Samiras usw. mit den hier "anrührend und vor allem sehr lustig" (so die Kurzbeschreibung) vorgestellten Aktivitäten jegliche Ansätze zu einer vernünftigen Weiterentwicklung ihrer Altersgenossen schon im Keim ersticken (von den ins Leere laufenden Lehrerleben ganz zu schweigen) , dann können wir einpacken ...
"Frau Freitags" Buch ist in diesem Sinne kontraproduktiv: Indem es erschreckende Verhältnisse als Comedy präsentiert, verharmlost es, anstatt sie anzuprangern, bringt den Leser zum Kichern, anstatt ihn zu erschrecken.
Die Autorin nennt sich "Frau Freitag". Das kann man witzig finden. Aber indem sie auf ihren Vornamen verzichtet, reduziert sie ihre Persönlichkeit auf das, was ihre Schüler ihr zugestehen – eine funktionale Fassade; das Individuum dahinter blendet sie selber aus. Oder betrachtet "Frau Freitag" dieses Minimum an Respektsbezeugung etwa schon als Ehrentitel?