Generationenkonflikt mit Chance zur Besserung
Der Handlungsort ist eine Augenklinik. Dort soll die 90-jährige schwerhörige Ella Freitag an einem Auge operiert werden. Für sich selbst sieht sie keine Notwendigkeit. Sie sträubt sich, die Einwilligung – den "Todesbrief" – zu unterschreiben. Nach einem Wasserschaden wird sie in ein anderes Zimmer verlegt.
Hier ist der junge Mann Sascha, der sein Auge bei einem Fahrradunfall verletzt hat, ihr noch unbekannter Zimmergenosse. Sascha selbst ist kurz zur Cafeteria gegangen und weiß daher noch nichts über die neue Belegung seines Zimmers.
Als er zurückkommt, trifft ihn der Hammer: Eine uralte Frau schläft seelenruhig im Nachbarbett. Sascha sieht nur ihren Kopf und betrachtet aufdringlich jedes kleinste Detail ihres Gesichtes und ihrer Haare, während sie ruhig auf dem Rücken liegt. Der Leser kann sich die "schnarchende alte Schachtel" sehr gut vorstellen. Dass ihr während des Schlafes ein kleiner Pups entfleucht, macht die Situation nicht besser. (Freilich würde man in einem realen Krankenhaus nie eine Frau und einen Mann zusammen auf ein Zimmer legen – diese literarische Freiheit nimmt sich der Autor.)
Sascha ist absolut nicht einverstanden, dass ihm so eine Bettnachbarin zugemutet wird. Er lässt seiner Wut freien Lauf. Zunächst stößt er in Gedanken wilde Flüche aus, schon als er der Alten zum ersten Mal gewahr wird. Doch als Ella dann das Krankenzimmer zu einer Voruntersuchung verlässt, wird er auch tätlich: Er zerwühlt er ihr Bett und ihre Garderobe. Diese Aggression geht weit über das Erträgliche hinaus, und witzig finde ich es auch nicht.
Dennoch nähern sich die beiden in ihren Gesprächen langsam an, wobei Ella ohnehin keine Kontaktprobleme hat. Als es dann so langsam Schlafenszeit wird, packt Ella ihre Flasche Klosterfrau Melissengeist aus. Sie bietet Sascha ein Gläschen an, beide nehmen einen Schluck aus ihren Zahnputzbechern und verbrüdern sich.
Die Leseprobe endet hier. Der Leser kann sicher auf eine weitere feucht-fröhliche Fortsetzung hoffen.